Die Revision wird zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung: In die soziale Auswahl sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Kündigung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG unzulässig ist.Soziale Auswahl und Altersgruppenbildung zur Erhaltung einer ausgewogenen betrieblichen Altersstruktur

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In die Sozialauswahl sind Arbeitnehmer nicht mit einzubeziehen, die in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Wahlvorstands besonderen Kündigungsschutz genießen und deren Kündigung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG unzulässig ist.

2. Die von einem Arbeitgeber getroffene Sozialauswahl ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie aufgrund einer sachgerechten Altersgruppenbildung erfolgt. Die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur muss als berechtigtes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG anerkannt werden. Für die Beachtlichkeit der Bildung von Altersgruppen ist es nicht erforderlich, dass sie auf einer mit dem Betriebsrat vereinbarten Auswahlrichtlinie gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 1 Abs. 4 KSchG beruht.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2, § 15 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Urteil vom 24.10.2002; Aktenzeichen 3 Ca 1011/02)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 2 AZR 576/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 24.10.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Detmold – 3 Ca 1011/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.

Der am 02.05.1954 geborene Kläger, der verheiratet und Kindern gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist, war bei der Beklagten, die etwa 60 Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 22.07.1990 als Schlosser gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 2.300,00 EUR brutto tätig.

Die Beklagte produziert und vermietet Zelte, bis zum 30.06.2002 auch Stahlhallen für Industriekunden, Kommunen und private Interessenten. Sie traf aus wirtschaftlichen Gründen die Entscheidung, den defizitären Stahlbau vollständig aufzugeben und das Geschäft auf die Herstellung von Aluminiumgerüsten für den Zeltbau zu konzentrieren. Sie schloss deswegen mit dem Betriebsrat am 19.04.2002 einen Interessenausgleich, einen Sozialplan und eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung.

Der Interessenausgleich lautet wie folgt:

„1. Als Reaktion auf das geänderte Nachfrageverhalten der Kunden insbesondere auch im Exportbereich, sowie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Ertragskraft müssen nachfolgende Maßnahmen unverzüglich eingeleitet und durchgeführt werden:

Volle Konzentration auf die exportstarke und wirtschaftlich interessante Herstellung von Aluminiumgerüsten für den Zeltbau.

Vollständige Stillegung des defizitären Stahlhallenbaus, incl. A1fgabe der Stahllagerhaltung für den Stahlhallenbau im derzeitigen Umfang.

Innerhalb des Aluminiumbaus verbleibt eine Tätigkeitsgruppe „Zulieferung Stahlteile”.

Neuinvestitionen in ein numerisch gesteuertes Bearbeitungszentrum. Hierdurch entstehen 3 qualifizierte Arbeitsplätze zum Maschinenführer, die zunächst intern ausgeschrieben werden. Die Ausbildung zum Maschinenführer wird vom Unternehmen getragen.

2.1 Der Personalstand ist den geänderten betrieblichen Umständen anzupassen. Dies führt zu einem Wegfall von 12 Arbeitsplätzen.

In der Folge sind 12 Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen zu entlassen, diese setzen sich aus 10 Schlossern u. Helfern, 1 Schweißer und 1 Lageristen zusammen.

2.2 Die in Punkt 1. genannten Strukturveränderungen sollen bis spätestens zum 30.06.2002 durchgeführt werden. Diese Zeitvorgabe gilt – unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfristen – entsprechend auch für die Personalkapazitätsreduzierung.”

Am 20.04.2002 hörte die Beklagte den Betriebsrat unter Bezugnahme auf den Interessenausgleich und den Sozialplan zu ihrer Absicht an, aus der Gruppe der Schlosser und Helfer 10 namentliche genannte Arbeitnehmer, darunter den Kläger, zu entlassen sowie einen Schweißer und einen Lageristen. Bezüglich der Sozialauswahl nahm die Beklagte auf eine beigefügte Auswahlrichtlinie Bezug. In dem Anhörungsschreiben heißt es dazu weiter:

„Im Rahmen der Sozialauswahl sind zunächst die Vergleichsgruppen „Schlosser und Helfer”, „Schweißer” und „Lageristen” gebildet worden. Zur Wahrung einer ausgewogenen Altersstruktur sind dann entsprechend der Auswahlrichtlinie Altersgruppen innerhalb der Vergleichsgruppen gebildet worden. Innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppen ist die Zahl der zu kündigenden Mitarbeiter in jede Altersgruppe prozentual dem Verhältnis dieser Altersgruppe zur Gesamtmitarbeiterzahl der Vergleichsgruppe angepasst worden. Die Anzahl der innerhalb der einzelnen Vergleichs- und Altersgruppen zu entlassenen Mitarbeiter ergibt sich aus der Übersicht in Anlage 3, die wir ebenfalls ausdrücklich zum Gegenstand dieser Anhörung machen. …”

In der Auswahlrichtlinie zur Umstrukturierung gemäß Interessenausgleich vom 19.04.2002 hat die Beklagte fünf Altersgruppen gebildet, und zwar wie folgt:

Altersgruppe der...

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