Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösungsantrag des Arbeitgebers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist.

2. Der Arbeitgeber kann sich zur Begründung seines Auflösungsantrags grundsätzlich auch auf die Gründe berufen, mit denen er zuvor erfolglos die ausgesprochene Kündigung begründet hat. Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen allerdings regelmäßig zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, gleichwohl so beschaffen ist, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist.

 

Normenkette

KSchG § 9 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Urteil vom 03.04.2007; Aktenzeichen 1 Ca 2395/06)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 03.04.2007 – 1 Ca 2395/06 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag.

Der am 14.05.1954 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 16.03.1982 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als angelernter Hilfsdreher beschäftigt. Sein Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 1.892,– EUR.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb in B1 cirka 260 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist dort gewählt.

In der Zeit seiner Beschäftigung erhielt der Kläger von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin folgende Abmahnungen:

Mit Schreiben vom 22.02.1984 (Bl. 40 d.A.), mit Schreiben vom 05.03.1992 (Bl. 61 d.A.), mit Schreiben vom 23.11.1993 (Bl. 63 d.A.) und mit Schreiben vom 27.09.2006 (Bl. 8 d.A.), vom 29.09.2006 (Bl. 9 d.A.) und vom 06.10.2006 (Bl. 10 d.A.). Die drei letzten Abmahnungen wurden dem Kläger zusammen in einem Umschlag am 12.10.2006 zugestellt. Der Kläger befand sich in der Zeit vom 10.10.2006 bis zum 13.10.2006 in einem ihm wegen des Todes seines Vaters am 07.10.2006 bewilligten Sonderurlaub.

Wegen einer von ihr behaupteten Schlechtleistung, die nach Dienstschluss am 06.10.2006 festgestellt worden sein soll, verfasste die Beklagte ein weiteres Schreiben an den Kläger vom 09.10.2006 (Bl. 70 d.A.) und kündigte an, dass sie am selben Tag den schriftlichen Antrag an den Betriebsrat auf Zustimmung zur ordentlichen du fristgemäßen Kündigung stellen werde. Dieses Schreiben überreichte die Beklagte an den Kläger am Tag der Arbeitsaufnahme nach dem Sonderurlaub am 14.10.2006.

Mit Schreiben vom 10.10.2006 an den Betriebsrat leitete die Beklagte das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG ein.

Der Betriebsrat nahm mit Schreiben vom 16.11.2006 zu der beabsichtigten Kündigung Stellung.

Mit Schreiben vom 17.11.2006, welches dem Kläger am 18.11.2006 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2007.

Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 01.12.2006 die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Die Kündigung sei weiter sozialwidrig. Die Abmahnungen seien nicht berechtigt gewesen. Die Kündigung sei unverhältnismäßig. Er sei seit 25 Jahren bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. In seinem Alter sei es schwer, auf dem Arbeitsmarkt eine andere Stelle zu finden.

Der Kläger hat beantragt

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17.11.2006 nicht zum 30.06.2007 beendet wird,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als Hilfsdreher weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30.06.2007 aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen, in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Abfindung, die jedoch einen Betrag in Höhe von 10.000,– EUR brutto nicht überschreiten sollte, zu verurteilen.

Der Kläger hat weiter beantragt,

den Hilfsantrag der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen der fortlaufenden Fehl- und Schlechtleistungen des Klägers gerechtfertigt. Der Inhalt der Abmahnungen entspreche den Tatsachen, so auch die Schlechtleistungen, die in der...

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