Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug. Verzugslohn. Leistungshindernis. Beschäftigungsverbot. Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers wegen unterbliebener Fortbildung im Rettungsdienst. arbeitsgerichtlicher Vergleich. Auslegung. Einwendungsverzicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verstößt der im Rettungsdienst tätige Arbeitnehmer gegen die sich aus § 5 Abs. 5 RettG NRW ergebende Verpflichtung zur jährlichen Fortbildung, so folgt hieraus kein gesetzliches Beschäftigungsverbot, sondern allein das Recht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bis zur Nachholung der Fortbildung von Rettungseinsätzen auszuschließen. Im Falle einer unwirksamen Kündigung schuldet der Arbeitgeber dementsprechend Verzugslohn, wenn der den Arbeitnehmer bis zur Kündigung trotz fehlender Fortbildungsnachweise beschäftigt hatte.

2. Schließen die Parteien zur Erledigung eines Rechtsstreits um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung einen arbeitsgerichtlichen Vergleich, welcher neben der Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist die Verpflichtung des Arbeitgebers enthält, die Arbeitsvergütung des Arbeitnehmers abzurechnen und auszuzahlen, so stellen die Parteien damit lediglich klar, dass die dem Arbeitnehmer nach materiellem Recht zustehenden Ansprüche zu erfüllen sind (LAG Köln BB 2007,612). Enthält der Vergleich daneben die weitere Klausel, der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers sei „durch tatsächliche Gewährung in Natur (während der Kündigungsfrist) erfüllt”, so schließt dies nicht nur den Einwand des Arbeitnehmers aus, keinen Urlaub erhalten zu haben, vielmehr ist auch der Arbeitgeber mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, welche für ihn bei Abschluss des Vergleichs bereits erkennbar waren.

 

Normenkette

BGB § 615; RettG NRW § 5 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 01.08.2007; Aktenzeichen 4 (2) Ca 2992/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.03.2009; Aktenzeichen 5 AZR 192/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 01.08.2007 – 4 (2) Ca 2992/06 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass sich der ausgeurteilte Bruttobetrag nach Ermäßigung der Klageforderung auf 4.205,13 EUR beschränkt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Anschluss an einen durch Vergleich erledigten Kündigungsrechtsstreit um Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.

Der im Jahr 1971 geborene Kläger trat mit Wirkung zum 01.01.2001 als Rettungsassistent in die Dienste der Beklagten ein, welche sich mit der Durchführung von Krankentransporten und Rettungsfahrten befasst. Im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Klägers ab dem Monat Februar 2006 erhob die Beklagte gegenüber dem Kläger verschiedene Vorwürfe. Aus diesem Grunde sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger am 18.03.2006 eine außerordentliche Kündigung aus, welche der Kläger im Verfahren ArbG Bielefeld 4 Ca 819/06 angriff. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.08.2006 schlossen die Parteien zur Erledigung dieses Rechtsstreits einen Vergleich mit folgendem Wortlaut:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus betrieblichen Gründen am 31.05.2006 beendet worden ist.
  2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.05.2006 ordnungsgemäß ab und zahlt den sich ergebenden Betrag an den Kläger aus.
  3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Urlaubsanspruch durch tatsächliche Gewährung in Natur erfüllt ist.
  4. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle beiderseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger, welcher seit dem 18.03.2006 wieder arbeitsfähig war, die Zahlung restlicher Arbeitsvergütung für den Monat März 2006 sowie für die Monate April und Mai 2006 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Soweit die Beklagte geltend macht, sie sei im Anspruchszeitraum nicht in Annahmeverzug geraten, da der Kläger es versäumt habe, seiner gesetzlichen Fortbildungsverpflichtung nach § 5 Abs. 5 RettG NRW nachzukommen, hält der Kläger diesen Einwand unter Berücksichtigung des abgeschlossenen Vergleichs für unmaßgeblich und behauptet im Übrigen, er habe in ausreichendem Umfang – nämlich 34 Stunden – an Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen.

Durch Urteil vom 01.08.2007 (Bl. 46 ff d. A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, auf der Grundlage des Arbeitsvertrages und des gerichtlichen Vergleichs stehe dem Kläger der verfolgte Zahlungsanspruch zu. Der Vergleich, welcher unter Beteiligung des Vorsitzenden selbst zustande gekommen und daher gerichtsbekannt sei, habe zum Inhalt, dass der Kläger die Vergütung bis zum 31.05.2006 tatsächlich erhalten solle; sofern die Parteien etwas anderes beabsichtigt...

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