Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass eines 2. Versäumnisurteils anstelle eines 1. Versäumnisurteils. Meistbegünstigungsgrundsatz. in der 2. Instanz nicht korrigierbarer Verfahrensmangel

 

Leitsatz (amtlich)

Erlässt das Arbeitsgericht anstelle eines 1. Versäumnisurteils ein 2. Versäumnisurteil, so liegt ein in der 2. Instanz nicht korrigierbarer Verfahrensmangel vor, der eine Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht rechtfertigt.

 

Normenkette

ZPO §§ 345, 514 Abs. 2, § 538 Abs. 2 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 05.05.2010; Aktenzeichen 8 Ca 4898/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 05.05.2010 – 8 Ca 4898/09 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung – auch über die Kosten der Berufung – an das Arbeitsgericht Dortmund zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus einem beendeten Rechtsverhältnis, aufgrund dessen die Beklagte für die Klägerin Versicherungen vermittelt hat.

Nachdem die Klägerin unter dem 16.01.2008 den Erlass eines Mahnbescheides beantragt und das Verfahren nach Einlegung eines Widerspruchs durch die Beklagte an das Landgericht Dortmund abgegeben worden war, erließ das Landgericht Dortmund gegen die im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.03.2009 säumige Beklagte ein klagestattgebendes Versäumnisurteil über 9.133,80 EUR nebst Zinsen. Auf den fristgerecht eingegangen Einspruch der Beklagten vom 08.05.2009 erklärte sich das Landgericht Dortmund mit Beschluss vom 10.09.2009 für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Dortmund. Daraufhin führte das Arbeitsgericht Dortmund am 01.02.2010 einen Termin zur mündlichen Verhandlung durch, an dem beide Parteien teilnahmen. Ausweislich des Protokolls fand eine Güteverhandlung statt, bei der nach Unterbrechung und anschließender Wiederaufnahme der Verhandlung festgestellt wurde, dass eine gütliche Einigung nicht möglich sei. Sodann beraumte das Arbeitsgericht Dortmund durch Beschluss vom 01.02.2010 Kammertermin auf den 05.05.2010 an. Mit Fax vom 04.05.2010, das am 04.05.2010 beim Arbeitsgericht Dortmund einging, übersandte die Beklagte eine als Folgebescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, nach der sie seit dem 04.05.2010 bis voraussichtlich zum 10.05.2010 arbeitsunfähig erkrankt sein werde. Des Weiteren fand sich auf dem Fax folgender handschriftlicher Zusatz:

„Für Rückfragen steht in o.a. in puncto Verhandlungsfähigkeit zur Verfügung.”

Im Termin vom 05.05.2010 erschien für die anwaltlich vertretene Beklagte niemand. Auf Antrag der Klägerin verkündete das Arbeitsgericht sodann ein zweites Versäumnisurteil, wonach der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 17.03.2009 verworfen wurde.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 21.05.2010 zugestellte zweite Versäumnisurteil am 04.06.2010 Berufung eingelegt und diese begründet.

Die Beklagte macht geltend, am 05.05.2010 hätte kein zweites Versäumnisurteil verkündet werden dürfen, weil das Landgericht Dortmund als unzuständiges Gericht kein Versäumnisurteil hätte erlassen dürfen. Das Arbeitsgericht Dortmund hätte allenfalls ein erstes Versäumnisurteil verkünden dürfen. Im Übrigen habe keine schuldhafte Säumnis vorgelegen, weil die Beklagte dem Gericht eine akute Erkrankung mitgeteilt habe, weswegen das Arbeitsgericht den Termin hätte verlegen müssen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 05.05.2010 – 8 Ca 4898/09 – aufzuheben und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Dortmund zurückzuverweisen,

hilfsweise das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 05.05.2010 – 8 Ca 4898/09 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und insgesamt form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2 b), 66 Abs. 1, 64 Abs. 4 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

I.

1. Die Berufung ist insbesondere statthaft.

a) Dies folgt aus dem sog. Meistbegünstigungsgrundsatz. Nach diesem Grundsatz kann der Betroffene dann, wenn statt eines weiteren ersten Versäumnisurteils ein zweites Versäumnisurteil verkündet worden ist, das Versäumnisurteil mit dem Einspruch und/oder der Berufung angreifen (BGH, 19.12.1996 – IX ZB 108/96, NJW 1997, 1448 m. w. N.; Ball in Musielak, Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2009, Vorbemerkung, Rn. 32).

Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil das Arbeitsgericht kein zweites Versäumnisurteil, sondern nur ein das vorhergegangene Versäumnisurteil aufrechterhaltendes weiteres (eben wieder erstes) Versäumnisurteil hätte erlassen dürfen. Denn nach dem ersten Versäumnisurteil vom 17.03.2009 h...

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