Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung. Entstehung eines Anspruchs auf jährliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld aufgrund betrieblicher Übung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der Arbeitgeber über 13 Jahre ohne Freiwilligkeitsvorbehalt über das arbeitsvertraglich vereinbarte Entgelt hinaus Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt, so ist er aufgrund betrieblicher Übung auch für die Zukunft hierzu verpflichtet.

2. Eine Beseitigung des Anspruchs durch sog. gegenläufige betriebliche Übung kommt nicht in Betracht (Anschl. an LAG Hamm - 10 AZR 281/08 - 18.03.2009).

3. Ein durch entsprechende betriebliche Übung gestalteter Inhalt des Arbeitsvertrages kann nur durch eine Änderungskündigung oder durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beseitigt werden.

4. Im Zweifel kommt eine Vereinbarung nicht dadurch zustande, dass die Arbeitnehmer auf erstmals verteilte Begleitschreiben zur Änderung der Bedingungen der Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlung nicht reagieren. Denn Schweigen stellt in der Regel keine Willenserklärung dar.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 147, 151, 611 Abs. 1, § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 03.11.2011; Aktenzeichen 4 Ca 379/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 03.11.2011 - 4 Ca 379/11 - teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 7.306,68 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

a) aus 3.653,34 EUR seit dem 15.07.2010;

b) aus weiteren 3.653,34 EUR seit dem 05.11.2010.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um Ansprüche des Klägers auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Elektrotechniker tätig zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 3653,34 EUR.

Seit Beginn seines Beschäftigungsverhältnisses im September 1986 zahlte die Beklagte an den Kläger ein jährliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von je ½ Bruttomonatsentgelt. 2004 zahlte sie ihren Mitarbeitern kein Weihnachtsgeld, 2005 kein Urlaubsgeld.

Nachdem die Beklagte den Kläger in den Jahren 2009 und 2010 weder ein Urlaubs- noch ein Weihnachtsgeld leistete, hat der Kläger u.a. wegen dieser Ansprüche am 18.02.2011 vor dem Arbeitsgericht Klage erhoben.

Eine ausdrückliche Vereinbarung über das Urlaubs- und Weihnachtsgeld besteht zwischen den Parteien nicht.

Erstmals unter dem 25.06.2000 (Bl. 73 d.A.) wies die Beklagte in einem Begleitschreiben darauf hin, dass die Zahlung des Urlaubsgelds keine Verpflichtung darstelle und daraus kein Anspruch für die folgenden Jahre abgeleitet werden könne. Ähnliche Formulierungen zur Freiwilligkeit und zur Leistung ohne Rechtspflicht von Urlaubs- und Weihnachtsgeld enthalten Begleitschreiben aus den Jahren 2001 - 2005 (Bl. 78 - 81 d.A.) sowie 2006 - 2008 (Bl. 25 - 30 d.A.).

Der Kläger bestreitet, vor dem 27.06.2006 (Kopie Bl. 25 d.A.) bzw. 13.11.2006 (Kopie Bl. 26 d.A.) in bezug auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld Freiwilligkeitsvorbehaltserklärungen erhalten zu haben.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Zahlung von Differenzentgelt für die Zeit 01.07.2010 - 31.01.2011 aus Annahmeverzug sowie die hier streitige Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 verlangt und beantragt,

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger brutto Euro 19.808,86 nebst 5% Zinsen über dem Basissatz nach §1 des Diskontüberleitungsgesetzes zu zahlen und zwar

aus EUR 3.653,34 brutto seit dem 15.07.2010;

aus weiteren EUR 1.707,18 brutto seit dem 05.08.2010;

aus weiteren EUR 1.972,26 brutto seit dem 05.09.2010;

aus weiteren EUR 1.972,26 brutto seit dem 05.10.2010;

aus weiteren EUR 1.972,26 brutto seit dem 05.11.2010;

aus weiteren EUR 1.967,46 brutto seit dem 05.12.2010;

aus weiteren EUR 4.596,67 brutto seit dem 05.01.2011;

aus weiteren EUR 1.967,43 brutto seit dem 05.02.2011;

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 03.11.2011 der Klage hinsichtlich des begehrten Differenzentgelts in Höhe von 12.502,18 EUR zuzüglich Zinsen stattgegeben, sie indes hinsichtlich des beanspruchten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes abgewiesen. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, Urlaubs- und Weihnachtsgeld könne der Kläger mangels ausdrücklicher Vereinbarung ebenso wenig verlangen wie kraft betrieblicher Übung. Aus den Leistungen der Beklagten in der Vergangenheit habe er einen entsprechenden Verpflichtungswillen nicht ableiten können. Die Beklagte habe jeweils durch die Begleitschreiben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Einzelfallentscheidung getroffen habe. Ein Vertrauen in künftige entsprechende Leistungen sei bei dem Kläger trotz der jährlichen Zahlungen nicht entstanden.

Gegen das ihm am 11.11.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 09.12.2011 beim Landesarbeitsgericht eingehend Berufung eingelegt und...

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