Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert: Klage auf wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einem Bestandsschutzprozess. Verfahren wegen Festsetzung des Streitwerts

 

Leitsatz (amtlich)

Wird im Zusammenhang mit einer Bestandsschutzklage ein Antrag auf wiederkehrende Leistungen gestellt, dessen Begründetheit vom Ausgang des Feststellungsantrags abhängig ist, findet § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG keine Anwendung (Änderung der Rechtsprechung). Die bei Urteilserlass oder sonstiger Erledigung des Rechtsstreits fälligen Teilbeträge sind in vollem Umfang, die Folgeansprüche insgesamt lediglich mit einem Monatsentgelt des Arbeitnehmers zu bewerten.

 

Normenkette

GKG § 1 Abs. 4, § 12 Abs. 1 S. 1; ArbGG § 12 Abs. 7 Sätze 1-2; ZPO § 5

 

Beteiligte

die Optima Produktions- und Handelsgesellschaft mbH

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 08.09.2000; Aktenzeichen 2 Ca 2514/98)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 08.09.2000 – 2 Ca 2514/98 – teilweise abgeändert.

Der Streitwert wird für das Verfahren und für den Vergleich vom 15.12.1998 auf Euro 6.442,48 festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin war seit dem 01.07.1992 bei der Beklagten beschäftigt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31.12.1998. Mit der am 29.09.1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung zur Wehr gesetzt und letztlich beantragt,

  1. festzustellen, dass der Arbeitsvertrag der Klägerin durch die Kündigung, welche am 28.09.1998 zugegangen ist, nicht beendet werden wird,
  2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Buchhalterin weiterzubeschäftigen,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zukünftig jeweils monatlich, fällig zum Monatsletzten, 2.100,00 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Den Antrag zu 3) hat die Klägerin damit begründet, sie verfolge den ihr zustehenden Monatslohn aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs für den Zeitraum ab 01.01.1999.

Am 15.12.1998 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit dem 31.12.1998 wegen der bevorstehenden Betriebsschließung sein Ende finden werde. Mit Beschluss vom 08.09.2000 hat das Arbeitsgericht den Streitwert ohne Berücksichtigung des Klageantrags zu 3) auf DM 10.500,00 festgesetzt.

Gegen den am 14.09.2000 zugestellten Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.09.2000

Beschwerde

eingelegt, welcher das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Nichtberücksichtigung des Antrags auf künftige Zahlung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Prozessakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die an sich statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist form- und insbesondere fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangen. Zwar ist die Frist des § 25 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 GKG nicht entfernt gewahrt; doch da der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts selbst nach Ablauf dieser Frist ergangen ist, reichte entsprechend § 25 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 GKG die Einlegung der Beschwerde binnen eines Monats nach Zustellung bzw. Mitteilung des angefochtenen Beschlusses aus (vgl. OLG Düsseldorf, 19.12.1989, RPfl. 1990, 272; OLG Koblenz, 17.10.1988, AnwBl. 1989, 677; Hartmann, KostenG, 30. Aufl., § 25 GKG Rn. 52; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 51).

Das Rechtsmittel hatte auch in der Sache Erfolg. Der Klageantrag zu 3) ist mit einem Monatsentgelt der Klägerin in Ansatz zu bringen; die bisherige Rechtsprechung des Beschwerdegerichts zur Bewertung des Anspruchs auf wiederkehrende Leistungen im Zusammenhang mit einer Bestandsschutzklage wird aufgegeben.

1. Die Bewertung von Klageanträgen, die im Zusammenhang mit einer Bestandsschutzklage erhoben werden, sei es eine Klage gemäß § 4 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, § 17 Satz 1 TzBG bzw. § 1 Abs. 5 BeschFG, sei es eine Klage gemäß § 256 ZPO wegen anderer Kündigungsgründe bzw. Beendigungstatbestände (vgl. Wenzel, BB 1984, 1494 [1498];BAG, 30.11.1984, NZA 1985, 369 [371]; BAG, 21.06.2000, NZA 2001, 271; hierzu: Berkowsky, NZA 2001, 801 ff.), und von deren Erfolg abhängen, gehört zu den umstrittenen Fragen des arbeitsgerichtlichen Streitwertrechts (s. die Nachweise bei KR-Friedrich, 6. Aufl., § 4 KSchG Rn. 279 a ff.; Schäder, Streitwert-Lexikon Arbeitsrecht, 2000, S. 31 ff.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 12 Rn. 104 ff., 108 ff.). Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts hatte hierzu in der Zeit von 1970 bis 1994 eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt, welche sich mit den entscheidenden Problemen

  • Berücksichtigung und Grenzen des sozialen Schutzzwecks des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG,
  • Additionsgebot oder -verbot bezüglich der Werte der unterschiedlichen Anträge,
  • wirtschaftliche Identität des Bestandsschutzantrags und ...

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