Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. einstweilige Verfügung. Informations-, Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Zuständigkeit des Betriebsrats. Abspaltung von Betriebsteilen vor bzw. nach Betriebsratswahl. Rechtsfolgen einer unterlassenen Wahlanfechtung; gemeinsamer Betrieb. Verfügungsgrund

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einstweilige Verfügungen sind auch im Beschlussverfahren nur zur Abwendung wesentlicher Nachteile zulässig.

2. Eine im Beschlussverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG ergangene Entscheidung hat präjudizielle Bindungswirkung auch für andere Verfahren.

 

Normenkette

BetrVG §§ 1, 19, 21a, 80 Abs. 2, § 87 Abs. 1; ArbGG § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Beschluss vom 11.01.2011; Aktenzeichen 2 BVGa 14/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 11.01.2011 – 2 BVGa 14/10 – unter Zurückweisung der Beschwerde des Betriebsrats abgeändert.

Die Anträge des Betriebsrats werden insgesamt abgewiesen.

 

Tatbestand

A

Im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren nimmt der antragstellende Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit in bestimmten Verkaufsstellen der beteiligten Arbeitgeberin im Bezirk S2 für sich in Anspruch.

Die Firma A1 S3 betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Die einzelnen Verkaufsstellen sind aufgrund eines im Jahre 1995 abgeschlossenen Zuordnungstarifvertrags gemäß § 3 BetrVG organisatorisch bestimmten Bezirken zugeordnet, denen ein Bezirksleiter vorsteht. Dem Bezirk 123 S2 gehörten Anfang des Jahres 2010 27 Verkaufsstellen mit insgesamt 107 Arbeitnehmern an.

Im Bezirk S2 kam es im Jahre 2007 erstmals zur Wahl eines Betriebsrats, dem Antragsteller des vorliegenden Verfahrens.

Die vormals zum Bezirk S2 gehörende Verkaufsstelle in K1 wurde zum 28.01.2009 von der Firma A1 S3 geschlossen. Die Räumlichkeiten mietete sodann die Firma S3 X1 GmbH, die Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens, an und eröffnete dort eine Filiale. In neuen Regalen wird dort ein Warensortiment von ca. 12.000 Artikeln angeboten – im Vergleich zu ca. 4.000 Artikeln, die zuvor in der Verkaufsstelle K1 der Firma A1 S3 angeboten wurden. In der Filiale K1 sind fünf Arbeitnehmerinnen eingesetzt, wovon eine zuvor bereits bei der Firma A1 S3 tätig war.

Die Arbeitgeberin, deren alleiniger Gesellschafter A1 S3 ist, wurde im Dezember 2008 gegründet. Die bei Gründung der Arbeitgeberin bestellte Geschäftsführerin war zuvor Geschäftsführerin der Tochtergesellschaft der Firma A1 S3 in Österreich. Sowohl die Arbeitgeberin wie auch die Firma A1 S3 haben ihren Sitz in E1, T1. 12-23, und verfügen über identische Telefon- einschließlich der Nebenanschlüsse.

Die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin ist dort mit zwei Sachbearbeitern tätig und verwaltet die Personalakten von 1.500 bis 2.100 Arbeitnehmern – bei inzwischen ca. 300 Märkten mit jeweils fünf bis sieben Mitarbeitern. Der Geschäftsführung der Arbeitgeberin sind deutschlandweit drei Vertriebsleitungen unterstellt, denen ihrerseits die Regionalleitungen unterstellt sind. Die Regionalleitungen sind die Vorgesetzten der Marktverantwortlichen bzw. Verkaufsverantwortlichen (VV), denen alle Mitarbeiter eines Marktes, einer Filiale, unterstellt sind. Die Verkaufsverantwortlichen führen den Markt im Rahmen allgemeiner Anweisungen, sie besitzen die Schlüsselgewalt, haben die bedarfsgerechte Disposition der Waren zu gewährleisten und erstellen die Dienstpläne vor Ort in den Märkten.

Die Firma A1 S3 unterhält in der Zentrale in E1 eine Personalabteilung mit ca. 20 Mitarbeitern. Daneben gibt es eine Lohnbuchhaltung, die auch die Aufgaben für die Arbeitgeberin mit erledigt. Auch die Immobilienabteilung der Firma A1 S3 erbringt Dienstleistungen für die Arbeitgeberin des vorliegenden Verfahrens.

Ob die Arbeitgeberin mit der Firma A1 S3 einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes bildet, ist zwischen den Beteiligten streitig. Hierüber streiten die Beteiligten insbesondere in dem inzwischen eingeleiteten Beschlussverfahren 1 BV 24/10 Arbeitsgericht Siegen. Kammertermin zur Anhörung der Beteiligten war auf den 01.02.2011 anberaumt.

Anfang des Jahres 2010 fanden im Bezirk Siegen der Firma A1 S3 Betriebsratswahlen statt. Da der dort gebildete Wahlvorstand die Auffassung vertrat, die Arbeitgeberin bilde mit der Firma A1 S3 einen gemeinsamen Betrieb, verlangte er im Wege der einstweiligen Verfügung von der Arbeitgeberin zur Erstellung einer Wählerliste die Überlassung der erforderlichen Daten der fünf Arbeitnehmerinnen, die im Markt in K1 tätig waren. Nachdem der entsprechende Antrag des Betriebsrats durch Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 04.03.2010 – 1 BVGa 2/10 – abgewiesen worden war, wurde auf die Beschwerde des Wahlvorstandes dem Antrag durch Beschluss des erkennenden Gerichts vom 30.03.2010 – 13 TaBVGa 8/10 Landesarbeitsgericht Hamm – stattgegeben. Auf die Gründe des den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens bekannten Beschlusses vom 30.03.2010 wird Bezug genommen.

Aufgrund eines Wahlausschre...

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