Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Abschluss einer betriebsübergreifenden Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einem zwingendes Erfordernis für den betriebsübergreifenden Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist der für das Gesamtunternehmen errichtete Gesamtbetriebsrat zuständig.

 

Normenkette

BetrVG § 50 Abs. 1 S. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Entscheidung vom 29.11.2012; Aktenzeichen 2 BV 16/12)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 29.11.2012 - 2 BV 16/12 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten (noch) um die Wirksamkeit eines ergangenen Einigungsstellenspruchs.

Die Arbeitgeberin, die einen Blutspendedienst betreibt, beschäftigt in ihren drei Betrieben in B1, M1 und H1 insgesamt ca. 900 Arbeitnehmer. Für alle drei Einheiten ist jeweils ein Betriebsrat gewählt, und es besteht ein Gesamtbetriebsrat.

In der Vergangenheit traf die Arbeitgeberin Tarifabschlüsse einerseits mit der Gewerkschaft ver.di und andererseits mit den Arbeitnehmerorganisationen DHV und medsonet, wobei den Mitarbeitern im Unternehmen ein Wahlrecht hinsichtlich des für ihr Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifwerks eingeräumt wurde.

Die mit der DHV und medsonet abgeschlossenen Manteltarifverträge einschließlich der ergänzend dazu vereinbarten Entgelttarifverträge wurden von der Arbeitgeberin am 05.08.2011 zum 31.12.2011 gekündigt.

Kurz zuvor am 26.07.2011 wurde unter Beteiligung der Arbeitgeberin, die mit Wirkung ab 01.03.2011 als Vollmitglied dem Kommunalen Arbeitgeberverband beigetreten war, mit der Gewerkschaft ver.di ein Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der D1-Blutspendedienst West gGmbH in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden kurz: ÜTV-DRK-BSD) geschlossen (Bl. 20 ff. d. A.). Aufgrund des Beitritts der Arbeitgeberin zum Kommunalen Arbeitgeberverband bestand für alle Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern, die Mitglied der Gewerkschaft ver.di sind, ab dem 01.03.2011 eine Tarifbindung an den TVöD-V.

Allen nicht tarifgebundenen Beschäftigten, die in der Vergangenheit namentlich nach den mit dem DHV bzw. der medsonet vereinbarten Tarifwerken vergütet worden waren, sagte die Arbeitgeberin "in Umsetzung des Aussagegehalts" des ÜTV-DRK-BSD im Wege einer unternehmensweiten Gesamtzusage die Gewährung einer Vergütung analog der Entwicklung im TVöD-V zu. In Vollzug dieser Gesamtzusage gab sie die im Tarifbereich vereinbarten Tariflohnerhöhungen zum 01.03.2012 und 01.01.2013 in vollem Umfang weiter.

Hinsichtlich dieser Dynamisierung der Arbeitsentgelte für alle Arbeitnehmer, bei denen keine Tarifbindung besteht, beanspruchte der im Betrieb M1 bestehende Betriebsrat für sich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Das von ihm dazu angestrengte Einigungsstellenverfahren wurde durch Spruch vom 29.10.2012 eingestellt. Zur Begründung wird in der Entscheidung u.a. ausgeführt:

"...

Der Arbeitgeber stellte vorliegend keinen Entgeltgrundsatz auf, der außerhalb der tariflichen Regelung des TVöD liegt, an den er tarifgebunden ist.

aa) Ein Mitbestimmungsrecht besteht bei Vorliegen eines Mitbestimmungstatbestands nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erst jenseits des Tarifvorrangs und damit bei außer- oder übertariflichen Leistungen mit Entgeltcharakter (...).

Die Dynamisierungszusage des Arbeitgebers betrifft nicht solche außer- oder übertariflichen Leistungen. Er wendet vorliegend lediglich die Entgelterhöhungssätze an, die er kraft seiner Tarifgebundenheit gegenüber den ebenfalls an diesen Tarifvertrag (TVöD) gebundenen Arbeitnehmer anwenden muss. Es fehlt deshalb schon an einem außer- oder übertariflichen Entgeltgrundsatz, der eine Mitbestimmung des Betriebsrats auslösen könnte.

bb) Unerheblich ist dabei, dass der Arbeitgeber diese Entgelterhöhungen auf freiwilliger Basis erbringt. Für das Beteiligungsrecht des Betriebsrats kommt es nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Anwendung der Entlohnungsgrundsätze erfolgt, etwa auf der Basis bindender Tarifverträge, einer Betriebsvereinbarung, einzelvertragliche Absprachen oder einer vom Arbeitgeber einseitig praktizierten Vergütungsordnung. Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hängt nicht vom Geltungsgrund der Entgeltleistungen ab (...).

cc) Nicht tarifgebundene Arbeitnehmer haben zwar keinen Anspruch auf das tarifliche Entgelt. Die absolute Lohnhöhe ist auch nicht mitbestimmungspflichtig. Deshalb können sich die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer auf die Einhaltung des abstrakten tariflichen Vergütungssystems, nicht aber auch auf die absolute Höhe des Tarifentgelts berufen (...). Die dadurch eintretende Schutzlücke hat der Arbeitgeber vorliegend durch eine entsprechende Anwendung der Entgelterhöhungsgrundsätze des TVöD auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer geschlossen. Es handelt sich deshalb um einen Fall der mitbestimmungsfreien Tarifanwendung. Die Mitbestimmung des ...

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