Entscheidungsstichwort (Thema)

Einrichtung einer Einigungsstelle. offensichtliche Unzuständigkeit. Mitbestimmung bei Streit über Ort des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit. Tarifvorrang. Auswahl des Vorsitzenden

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Frage des Orts, des Arbeitsbeginns und des Arbeitsendes im Betrieb der Arbeitgeberin ist in den Tarifverträgen des Einzelhandels NRW nicht geregelt.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG §§ 76, 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Beschluss vom 27.07.2007; Aktenzeichen 6 BV 46/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.07.2007 – 6 BV 46/07 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin betreibt in der Bundesrepublik zahlreiche Möbelhäuser, unter anderem die Niederlassung B1, in der ca. 120 Vollzeitkräfte und zahlreiche Teilzeitbeschäftigte tätig sind.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der in der Niederlassung B1 gebildete Betriebsrat, der aus neun Personen besteht.

Im Betrieb der Arbeitgeberin existiert eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Firmenkleidung” vom 24.08.1998 (Bl. 15 ff.d.A.). Hiernach sind die Mitarbeiter verpflichtet, die ihnen gestellte Arbeits-, Berufs- bzw. Schutzkleidung zu tragen. Die Nutzung der Firmenkleidung ist nur im dienstlichen Einsatz gestattet, ausgenommen hiervon ist das Tragen auf dem Weg von und zur Arbeitsstätte. Im Betrieb der Arbeitgeberin besteht die Möglichkeit sich umzukleiden.

Am 21.03.2007 schloss der antragstellende Betriebsrat mit der Niederlassung der Arbeitgeberin in B1 eine Betriebsvereinbarung „Arbeitszeiten” (Bl. 7 ff.d.A.), auf deren Bestimmungen ebenfalls Bezug genommen wird.

Nachdem die Arbeitgeberin gegenüber einigen Arbeitnehmern Ermahnungen (Bl. 20 ff.d.A.) ausgesprochen hat, um diese anzuhalten, sich außerhalb der erfassten Arbeitszeiten umzuziehen, entstand Streit zwischen den Beteiligten darüber, ob das Umkleiden der Arbeitnehmer innerhalb oder außerhalb der durch das Zeiterfassungssystem erfassten Arbeitszeit zu erfolgen hat. Der Betriebsrat beabsichtigte daraufhin, mit der Arbeitgeberin über Zeit und Ort des Beginns und des Endes der Arbeitszeit zu verhandeln. Mit Schreiben vom 18.06.2007 (Bl. 24 d.A.) lehnte die Arbeitgeberin die Verhandlung über eine Betriebsvereinbarung zur Regelung des Ortes des Beginns und des Endes der Arbeitszeit oder der Vergütung von Umkleidezeiten ab.

Am 03.07.2007 führte der Betriebsrat daraufhin eine Betriebsratssitzung durch, an der fünf von neun Betriebsratsmitgliedern teilnahmen. Zwei Betriebsratsmitglieder befanden sich im Urlaub, eines hatte frei, eines fehlte unentschuldigt. Der Betriebsrat fasste auf der Sitzung vom 03.07.2007 folgenden Beschluss:

  1. „Der Betriebsrat ruft hinsichtlich der Regelung, an welchem Ort die Arbeitszeit beginnt bzw. endet, die Einigungsstelle des Betriebsverfassungsgesetzes gemäß § 87.2 BetrVG an.
  2. Der Betriebsrat schlägt den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Holger Schrade zum Vorsitzenden der Einigungsstelle vor.
  3. Der Betriebsrat schlägt vor, die Einigungsstelle mit 2 Beisitzern/Seite zu besetzen.
  4. Die Arbeitgeberin wird aufgefordert, der Person des Einigungsstellenvorsitzenden sowie der Anzahl der Beisitzer spätestens bis zum 10.7.2007 zuzustimmen.
  5. Stimmt die Arbeitgeberin nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht zu, soll das Einigungsstellen-Einrichtungsverfahren nach § 98 ArbGG durchgeführt werden. Mit der Durchführung dieses Verfahrens wird der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht T1 S1 aus B2 beauftragt.”

Die vom Betriebsrat gesetzte Frist bis zum 10.07.2007 verstrich ergebnislos.

Mit dem am 11.07.2007 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Betriebsrat daraufhin die Einrichtung einer Einigungsstelle geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die einzurichtende Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Ihm stehe nach § 87 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich der Frage des Ortes des Beginns und des Endes der Arbeitszeit im Betrieb der Arbeitgeberin zu. Diese Frage sei bislang verbindlich nicht geregelt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. zum Vorsitzenden einer im Betrieb der Arbeitgeberin zu bildenden Einigungsstelle mit dem Thema: „Regelung der Frage, an welchem Ort die Arbeitszeit i.S.d. Betriebsvereinbarung Arbeitszeiten vom 31.07.2007 beginnt und endet” den Richter am Landesarbeitsgericht Hamm Dr. Holger Schrade zu bestimmen,
  2. die Anzahl der Beisitzer auf zwei je Seite festzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe ein Mitbestimmungsrecht nicht zu. Insoweit bestehe eine Regelungssperre nach § 77 Abs. 3 BetrVG. Darüber hinaus habe der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des Inhalts der Arbeitspflicht der einzelnen Mitarbeiter. Ob das Umkleiden zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehöre oder nicht, sei nicht mitbestimmungspfli...

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