Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe für Mehrvergleich bei konkludentem Antrag durch Anzeige eines gerichtlich festzustellenden Vergleichs vor der Bewilligung von “Prozesskostenhilfe in vollem Umfang„

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bewilligt ein Arbeitsgericht "Prozesskostenhilfe in vollem Umfang", ist davon der Abschluss eines Mehrvergleichs mit umfasst, wenn die Bewilligung hierfür zuvor ausdrücklich oder konkludent beantragt wurde.

2. Ein konkludenter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für einen Mehrvergleich liegt bereits dann vor, wenn der Gegner der bedürftigen Partei dem Gericht einen nach § 278 Abs. 6 ZPO festzustellender Vergleich anzeigt, aus dessen Inhalt sich ein Mehrvergleich ergibt.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 121; RVG § 48; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 278 Abs. 6; BGB § 779; RVG § 48 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 09.02.2018; Aktenzeichen 1 Ca 751/17)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 9. Februar 2018 (1 Ca 751/17) aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger beantragte für seine mit einem Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verbundene Kündigungsschutz- und allgemeine Feststellungsklage vom 19. Mai 2017 zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2017, beim Arbeitsgericht am selben Tag eingegangen, teilte die Beklagte mit, dass man sich auf einen vom Kläger vorgeschlagenen Vergleich bereits geeinigt habe, der sich aus dessen beigefügtem Schriftsatzentwurf ergebe. Der Vergleich sah eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2017, eine unwiderrufliche Freistellung des Klägers unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche nebst ordnungsgemäßer Abwicklung des Arbeitsverhältnisses sowie die Erteilung sowohl eines Zwischenzeugnisses als auch eines Endzeugnisses mit der Note "gut" vor.

Das Arbeitsgericht hob daraufhin durch Beschluss vom 8. Juni 2017 den auf den bereits anberaumten Gütetermin auf und schlug den Parteien den Vergleichsentwurf "zur Erledigung des Rechtsstreits im Beschlusswege (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 278 Abs. 6 ZPO)" vor und setzte eine Annahmefrist bis zum 21. Juni 2017. Mit einem weiteren Beschluss vom 8. Juni 2017 bewilligte das Arbeitsgericht "dem Kläger für den 1. Rechtszug Prozesskostenhilfe in vollem Umfang". Der Beschluss wurde dem Kläger am selben Tag übersandt. Der Vergleich wurde nach Annahme durch die Parteien am 27. Juni 2017 festgestellt. Mit Schreiben vom 28. Juni 2017 teilte das Arbeitsgericht mit, dass der Verfahrenswert 6.364,80 Euro (entspricht vier Monatseinkommen) betrage, der Vergleichswert 8.353,80 Euro, wobei es für Nr. 2 und 4 des Vergleichs einen Mehrwert einsetzte.

Im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens setzte das Arbeitsgericht unter dem 4. September 2017 einen Betrag von 1.406,58 Euro als Vergütung fest, wobei es als "Begründung von Absetzungen" mitteilte, dass die Terminsgebühr sich lediglich nach dem Streitwert für das Verfahren im Allgemeinen bestimme. Hiergegen legte der Klägervertreter fristgerecht Erinnerung ein, mit welcher er seinen ursprünglichen Antrag weiterverfolgt. Des Weiteren legte die Bezirksrevisorin Erinnerung ein und verlangte eine Herabsetzung der Vergütung auf 1.1.77,51 Euro. Denn Prozesskostenhilfe sei für den Mehrvergleich nicht bewilligt worden, so dass sich die aus der Staatskasse im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe zu zahlende Vergütung ausschließlich nach dem Verfahrenswert auch für den Vergleich bemesse. Daraufhin half das Arbeitsgericht unter dem 30. Januar 2018 der Erinnerung der Bezirksrevisorin ab und ordnete die Rückzahlung des überzahlten Betrages an. Mit Beschluss vom 9. Februar 2018 wies es die Erinnerung der Klägervertreter gegen die Vergütungsfestsetzung zurück. Gegen beide Beschlüsse legte der Kläger bzw. die Klägervertreter "Beschwerde" ein, das Rechtsmittel beim Beschwerdegericht unter dem Aktenzeichen 8 Ta 117/18 anhängig.

Unter dem 4. Oktober 2017 hatte der Kläger neben der Zurückweisung der v. g. Erinnerung der Bezirksrevisorin den Standpunkt vertreten, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zutreffend in vollem Umfang erfolgt sei, und vorsorglich beantragt, über den noch anhängigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung hinsichtlich des Mehrvergleichs nunmehr zu entscheiden. Letzteres lehnte das Arbeitsgericht durch seinen Beschluss vom 9. Februar 2018 ab. Hiergegen richtet sich die "Beschwerde" des Klägers vom 22. Februar 2018.

II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO erhobene und als sofortige Beschwerde auszulegende "Beschwerde" des Klägers ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden. Sie ist zugleich begründet. Das Arbeitsgericht hat bei seiner Entscheidung übersehen, dass es für den Mehrvergleich bereits Prozesskostenhilfe bewilligt hatte. Der Antrag vom 4. Oktober 2017 war bereits erledigt. Di...

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