Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe für Mehrvergleich bei Vergleichsabschluss und Antragstellung vor der Bewilligung von “Prozesskostenhilfe in vollem Umfang„

 

Leitsatz (amtlich)

Bewilligt ein Arbeitsgericht "Prozesskostenhilfe in vollem Umfang", ist davon der Abschluss eines Mehrvergleichs mit umfasst, wenn die Bewilligung hierfür zuvor ausdrücklich oder konkludent beantragt wurde.

 

Normenkette

ZPO § 121; RVG § 48; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 278 Abs. 6; BGB § 779; RVG § 48 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Entscheidung vom 27.09.2017; Aktenzeichen 3 Ca 1228/17)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 27. September 2017 (3 Ca 1228/17) wird als unzulässig verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger beantragte für seine Befristungskontrollklage vom 18. August 2017 mit der Klageschrift zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Schriftsatz vom 22. September 2017 beantragte er darüber hinaus die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs. Durch die hier angefochtene Entscheidung vom 27. September 2017 bewilligte das Arbeitsgericht "Prozesskostenhilfe in vollem Umfang". Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 2. Oktober 2017 zugestellt.

Mit dem am 19. Oktober 2017 eingegangenen Schriftsatz vom 18. Oktober 2017 erhob der Kläger sofortige Beschwerde und beantragte, den Prozesskostenhilfebeschluss abzuändern und dem Kläger Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich zu bewilligen. Mit Schreiben vom 2. November 2017 teilte das Arbeitsgericht mit, dass Prozesskostenhilfe in vollem Umfang und damit auch im Hinblick auf einen Mehrvergleich bewilligt worden sei. Der Kläger hielt unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (30. April 2014 - 10 AZB 13/14 - Rdnr. 21) an seinem Rechtsmittel fest, denn die Tatsache, dass das Gericht dem Kläger auch Prozesskostenhilfe für den Abschluss des Mehrvergleichs bewilligt habe, sei aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss nicht klar erkennbar. Das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab.

II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO erhobene sofortige Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Es fehlt die notwendige Beschwer. Dem Bewilligungsantrag des Klägers vom 18. August 2017 mit seiner Ergänzung vom 22. September 2017 ist in vollem Umfang entsprochen worden.

1. Das Beschwerdegericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass eine Prozesskostenhilfebewilligung "in vollem Umfang" einen im Verfahren abgeschlossenen Mehrvergleich umfasst, wenn diese zuvor beantragt wurde.

a) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Antrag voraus; eine Bewilligung ohne Antrag scheidet im stark formalisierten Prozesskostenhilfeverfahren aus. Dies schließt aber weder eine konkludente Antragstellung noch - wie bei jeder Prozesshandlung - eine Auslegung des Antrags aus (vgl. BAG 30. April 2014 - 10 AZB 13/14 - Rn. 13; LAG Hamm 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - Rn. 7; 10. Februar 2014 - 14 Ta 529/13 - Rn. 7). Stellt eine Partei einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für eine bestimmte Instanz, so bezieht sich dieser regelmäßig nur auf die bereits rechtshängigen Streitgegenstände oder die Streitgegenstände, die gleichzeitig mit der Antragstellung anhängig gemacht werden (vgl. BAG a. a. O. - Rn. 15). Trifft das Gericht in einem solchen Fall eine Entscheidung über die Prozesskostenhilfe, soll sich die Bewilligung auf diese Streitgegenstände beschränken, soweit es nicht ausdrücklich etwas anderes ausspricht. Kommt es nach der Bewilligung zu einer Klageerweiterung oder soll Prozesskostenhilfe auch für einen Mehrvergleich bewilligt werden, soll es eines neuen Antrags bedürfen (so BAG a. a. O.; offen gelassen von LAG Hamm a. a. O. jeweils Rn. 14; für den konkludenten Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach bereits erfolgter Prozesskostenhilfebewilligung vgl. LAG Hamm 15. Dezember 2014 - 14 Ta 510/14 - Rn. 6 ff.).

b) Anders ist - von Ausnahmefällen abgesehen - die Situation hinsichtlich späterer Klageerweiterungen, wenn über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Zeitpunkt der Klageerweiterung noch nicht entschieden ist, oder bei einem vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zwischen den Parteien abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich, der bisher nicht rechtshängige Gegenstände erfasst. Der Wille der antragstellenden bedürftigen Partei wird in einem solchen Fall regelmäßig darauf gerichtet sein, auch für solche Klageerweiterungen oder den vereinbarten Mehrvergleich Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen, weil sich an ihrer Bedürftigkeit nichts verändert hat (vgl. BAG a. a. O. - Rn. 16 f.; LAG Hamm - 10. Februar 2014 - 14 Ta 310/13 - Rn. 12 ff.)

Dies gilt für einen erst beabsichtigten Mehrvergleich auch dann, wenn das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe "in ...

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