Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungstitel. Verbrauchen des Titels. Rechtskraft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Wirkung der Verurteilung zur vorläufigen Weiterbeschäftigung aufgrund eines zuerst verkündeten Urteils endet im Fall einer nachgeschobener Kündigung. Zur Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsansruchs bedarf es deshalb grundsätzlich eines neuen Titels.

2. Die Vollstreckung aus dem Titel bleibt jedoch solange statthaft, als der Titel selbst existiert und seine Vollstreckungsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Der Schuldnerin verbleibt nur der Weg über die Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO; diese verbunden mit einer einstweiligen Anordnung gem. § 769 ZPO.

 

Normenkette

ZPO §§ 750, 888

 

Verfahrensgang

ArbG Minden (Beschluss vom 18.12.2007; Aktenzeichen 3 (2) Ca 949/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 18.12.2007 – 3 Ca 949/05 – aufgehoben und der Zwangsgeldantrag des Gläubigers vom 08.10.2007 zurückgewiesen.

Die Kosten der Zwangsvollstreckung trägt der Gläubiger.

Der Wert des Vollstreckungsverfahrens wird 7.176,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Mit der bei dem Arbeitsgericht Minden am 07.06.2005 erhobenen Kündigungsschutzklage begehrte der Gläubiger die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zur Schuldnerin nicht durch deren Kündigung vom 31.05.2005 mit Ablauf des 31.12.2005 beendet wird. Darüber hinaus begehrte er die Verpflichtung der Schuldnerin, ihn zu unveränderten Bedingungen als Schlachter weiter zu beschäftigen. Aus Sicht der Schuldnerin war diese Kündigung erforderlich, zumal zum 01.08.2005 die Schweine- und Rinderschlachtung auf die R2 F1 GmbH, D3, übertragen werden sollte und u. a. der Gläubiger dem damit verbundenen Betriebsübergang widersprochen hatte. Mit Urteil vom 13.12.2006 hat das Arbeitsgericht Minden seinem Kündigungsschutzbegehren stattgegeben und die Schuldnerin dazu verurteilt, ihn zu unveränderten Bedingungen als Schlachter weiter zu beschäftigen. Diese Verpflichtung wurde in den Gründen auf die Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 gestützt. Dieses Urteil ist rechtskräftig. Da eine Beschäftigung nicht erfolgte, obwohl der Schuldnerin eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils am 08.01.2007 zugestellt war, beantragte der Gläubiger erstmals am 26.02.2007, die Schuldnerin durch Zwangsgeld dazu anzuhalten, ihn auf der Grundlage des Urteils als Schlachter zu beschäftigen. Diesen Antrag nahm der Gläubiger am 13.04.2007 zunächst wegen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wieder zurück. Nach Genesung beantragte er mit Schriftsatz vom 08.10.2007 erneut die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung der titulierten Beschäftigungspflicht. Zur Begründung hat er die Auffassung vertreten, der Einwand der Schuldnerin im vorausgehenden Antragsverfahren, „der Arbeitsbereich des Gläubigers sei bekanntermaßen ausgegliedert worden”, sei unzulässig. Dieser Einwand sei im Erkenntnisverfahren überprüft und als unbegründet verworfen worden. Auf eine Unmöglichkeit der Zwangsvollstreckung könne sie sich folglich nicht berufen.

Im Rahmen ihrer Anhörung trat die Schuldnerin dem Begehren des Gläubigers entgegen und vertrat die Rechtsauffassung, der Titulierung nicht nachkommen zu können, zu mal die Schlachtung am Standort L1 im Wege des Betriebsübergangs auf die W2 P3-S7 GmbH übergegangen sei. Im Übrigen vertrat sie die Rechtsauffassung, die Titulierung sei nicht vollstreckungsfähig, sie sei inhaltlich mehrdeutig. Dennoch habe sie sich bemüht, dem Beschäftigungsbegehren des Gläubigers mittels Umsetzungsangebote gerecht zu werden. Eine Schlachttätigkeit sei nur an den Standorten P4 und C2 möglich. Am Standort L1 sei sein Einsatz zu den Bedingungen eines Schlachters nur in der Verladung etc. denkbar.

Die Schuldnerin hat das Arbeitsverhältnis zum Gläubiger erneut am 22.03.2007 aufgekündigt. Hiergegen richtet sich die weitere Kündigungsschutzklage des Gläubigers 3 Ca 659/07 Arbeitsgericht Minden = 17 Sa 1815/07 LAG Hamm.

Mit Beschluss vom 18.12.2007 hat das Arbeitsgericht Minden gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der titulierten Beschäftigungspflicht ein Zwangsgeld i. H. v. 3.300,00 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Tenor des rechtskräftigen Urteils sei weiterhin Vollstreckungstitel. Die Vollstreckungsfähigkeit gehe nur dadurch verloren, dass der Titel selbst aufgehoben oder abgeändert wird oder dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet werde. Da dies alles nicht festzustellen sei, sei das rechtskräftige Urteil weiterhin Vollstreckungstitel i. S. d. §§ 750, 888 ZPO. Auch die nachgeschobene Kündigung lasse die Vollstreckungsfähigkeit nicht entfallen. Zwar könne hierdurch ein Anspruch auf Beschäftigung entfallen. Dem stehe jedoch das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 24.08.2007 – 3 Ca 659/07 – entgegen. Hierüber sei die Unwirksamkeit dieser nachgeschobenen Kündigung festgestellt worden. Es bestehe folglich die Verpflichtung der Schuldnerin fort, den Gläubiger als Schlachter...

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