Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahl der Schwerbehindertenvertretung. Nichtigkeit. Anfechtbarkeit. Anfechtungsbefugnis. richtige Antragstellung. Wahlmanipulation. Grundsatz der geheimen Wahl. gerichtliche Nachprüfung des Wahlverhaltens. Briefwahl. Verfahren bei der schriftlichen Stimmabgabe. Einschaltung von Boten

 

Leitsatz (amtlich)

Aus dem Grundsatz der geheimen Wahl folgt, dass das Wahlverhalten der Wähler weder durch Zeugenvernehmung noch durch eidesstattliche Versicherung gerichtlich nachgeprüft werden kann. Dies gilt auch bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung.

 

Normenkette

SGB IX § 94 Abs. 6; BetrVG § 19 Abs. 1-2; SchwbVWO § 10 Abs. 4, § 11 Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Beschluss vom 20.02.2008; Aktenzeichen 8 BV 290/06)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 7 ABN 97/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.02.2008 – 8 BV 290/06 – abgeändert.

Die am 24.11.2006 im Betrieb der Arbeitgeberin durchgeführte Wahl zur Vertrauensperson der Schwerbehinderten wird für unwirksam erklärt.

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 20.02.2008 – 8 BV 290/06 – zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Wahl der Vertrauensperson der Schwerbehinderten.

Die Arbeitgeberin, die Beteiligte zu 5. des vorliegenden Verfahrens, betreibt in D1 mehrere Seniorenheime. Im Herbst des Jahres 2006 wurde im Betrieb der Arbeitgeberin turnusmäßig die Wahl der Vertrauensperson der Schwerbehinderten durchgeführt. Es wurde ein Wahlvorstand bestellt, der am 12.10.2006 das Wahlausschreiben (Bl. 17 f.d.A.) herausgab. Hiernach fand die Wahl der Schwerbehindertenvertretung am 24.11.2006 statt. Nach Ziffer 7. des Wahlausschreibens vom 12.10.2007 war die schriftliche Stimmabgabe vorgesehen. Der Sitz des Wahlvorstandes und das Wahllokal für die Schwerbehindertenvertretung befand sich im Seniorenheim Tagespflege D1-M2, B1 1-3, 89012 D1. Nach hier waren alle Einsprüche, Wahlvorschläge und sonstige Erklärungen zu richten. Auf die weiteren Bestimmungen des Wahlausschreibens vom 12.10.2006 wird Bezug genommen.

Zum Zeitpunkt der Wahl waren im Betrieb der Arbeitgeberin 53 wahlberechtigte schwerbehinderte Menschen beschäftigt. Auf die von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellte Liste über die wahlberechtigten schwerbehinderten Mitarbeiter (Bl. 55 d.A.), die vom Wahlvorstand bei der Stimmauszählung benutzt wurde, wird Bezug genommen.

Aufgrund des Beschlusses des Wahlvorstands vom 09.11.2006 (Bl. 38 d.A.) wurden die gefertigten Wahlunterlagen am 09.11.2006 und am 13.06.2006 per Post an die Wahlberechtigten versendet.

Unter Ziffer 2. des Beschlusses vom 09.11.2006 (Bl. 38 d.A.) heißt es:

„Die verschlossene Wahlurne wird im SH M2 (Tagespflege), bis zum 24.11.2006, hinterlegt. Die Wahlurne wird verschlossen im Schrank des Büros der Tagespflege aufbewahrt. Die eingegangenen Wahlunterlagen werden von einem Mitglied des Wahlvorstandes im Beisein eines Zeugen in die Wahlurne eingeworfen, bei Verhinderung ist dies auch durch Herrn W5 unter Hinzuziehung eines Zeugen (Herrn K4, Frau P2 oder Frau H2) möglich.”

Entsprechend Ziffer 2. des Beschlusses vom 09.11.2006 wurde bei Eingang der schriftlichen Wahlunterlagen beim Wahlvorstand verfahren. Eingehende Briefe wurden vom Wahlvorstandsvorsitzenden, dem Beteiligten zu 4., oder dem Wahlhelfer W5 unter Zeugen in die Wahlurne eingeworfen. Hierüber verhält sich auch der Beschluss des Wahlvorstands zu Ziffer 1. vom 23.11.2006 (Bl. 37 d.A.).

Am Wahltag, dem 24.11.2006, übten zwei wahlberechtigte schwerbehinderte Mitarbeiter, nämlich die Beteiligten zu 1. und zu 2., ihr Wahlrecht persönlich im Wahllokal Seniorenheim D1-M2 aus. Die übrigen wahlberechtigten Arbeitnehmer, unter ihnen die Mitarbeiterinnen M5 V2, C3 J1, A2 M6, J2 M7 sowie der Mitarbeiter R1 M1, der Antragsteller und Beteiligte zu 3., hatten von der schriftlichen Stimmabgabe Gebrauch gemacht. Am Wahltag erschien die Leiterin der Personalabteilung der Arbeitgeberin gegen 9.50 Uhr im Wahllokal Seniorenheim D1-M2 und übergab dem Wahlvorstand fünf Briefwahlunterlagen der genannten fünf Mitarbeiter, die in der Zentrale der Arbeitgeberin eingegangen waren, obgleich sie per Aufkleber an das Wahllokal Seniorenheim D1-M2 gerichtet waren. Diese fünf Briefwahlunterlagen waren bei der Übergabe durch die Personalleiterin an den Wahlvorstand unversehrt. Auf ihnen befand sich ein Poststempel mit dem Datum 17.11.2006. Auf welchem Wege und in welcher Weise diese fünf Briefwahlunterlagen in die Zentrale der Arbeitgeberin gelangt waren, konnte nicht geklärt werden. Auf den Anhang der Niederschrift zur Wahl der Vertrauensperson des Schwerbehinderten vom 24.11.2006 (Bl. 36 d.A.) wird Bezug genommen.

Nach der öffentlichen Stimmauszählung vom 24.11.2006 (Niederschrift Bl. 35 d.A.) wurden insgesamt 42 Stimmen abgegeben. Vom Wahlvorstand wurden zwei Stimmen – bei einer Stimme fehlte der W...

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