Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmungsersetzung bei Versetzung. Einleitung des Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat. Umfang der Informationspflicht des Arbeitgebers. Auswirkungen der personellen Maßnahme. Lauf der Wochenfrist. vorläufige Durchführung der Maßnahme. Anforderung an Informationspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich Dringlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung darf – unabhängig von den für die Verweigerung vorgebrachten Gründen – von den Arbeitsgerichten nur ersetzt werden, wenn die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG in Gang gesetzt wurde. Dazu muss der Arbeitgeber die Anforderungen des § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG vollständig erfüllt haben.

2. Eine umfassendere Information des Betriebsrats über die Auswirkungen der personellen Einzelmaßnahme ist dann zu verlangen, wenn eine ganz neue Abteilung mit neuen Stellen und völlig neuem Aufgabengebiet geschaffen wird.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 1, 3-4, § 100 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Beschluss vom 05.10.2007; Aktenzeichen 1 BV 13/07)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 05.10.2007 – 1 BV 13/07 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzungsmaßnahme.

Die Arbeitgeberin ist eine Genossenschaftsbank mit ca. 440 Mitarbeitern, die durch eine Verschmelzung zweier Banken im Juni 2005 entstanden ist.

Im Frühjahr 2007 schrieb die Arbeitgeberin intern zwei Stellen in der neu zu schaffenden Abteilung Unternehmensentwicklung aus (Bl. 38, 39 d.A.). Das Ende der Bewerbungsfrist war mit dem 27.04.2007 angegeben.

Für diese Stellen bewarben sich vier Mitarbeiter, deren Bewerbungsunterlagen dem Betriebsrat überlassen wurden. Die Arbeitgeberin entschied sich für die Bewerbung von Frau S6 E1, geb. am 19.12.1977, die bislang in der Abteilung Orga und Facility-Managment in C1 unter Eingruppierung in die Tarifgruppe 7 beschäftigt war.

Mit Schreiben vom 16.05.2007 (Bl. 9 d.A.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung von Frau E1 in die Abteilung Unternehmensentwicklung in B4.

Als Gründe für die Versetzung war angegeben:

„Das Qualifikationsprofil unserer Frau E1 entspricht in großen Teilen dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle. Es liegen insgesamt 4 Bewerbungen vor.”

Mit Schreiben vom 23.05.2007 (Bl. 10 d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin folgendes mit:

„da wir zu obigem Antrag keine Informationen zu der abgebenden Abteilung erhalten haben, bitten wir noch um Beantwortung nachstehender Fragen:

  1. Wie wird die bisherige Stelle der Frau S6 E1 in Zukunft besetzt?
  2. Geht mit der geplanten Maßnahme ein Stellenabbau in der Organisationsabteilung einher?

Wir bitten um Verständnis für die Nachfrage und stehen für ein persönliches Gespräch gerne zur Verfügung.

Die Arbeitgeberin nahm zu der Anfrage des Betriebsrates mit Schreiben vom 31.05.2007 (Bl. 11 d.A.) wie folgt Stellung:

„Frau E1 war als Mitarbeiterin der Abteilung Organisation vornehmlich für den Bereich des Prozessmanagements tätig. Da Frau E1 diese Aufgaben in ähnlicher Form als Mitarbeiterin Unternehmensentwicklung ausführen wird, wäre zu prüfen, ob die wenigen restlichen Aufgaben durch die Mitarbeiter der Abteilung Organisation übernommen werden können. Eine entsprechende Prüfung kann jedoch erst nach der abgeschlossenen Versetzung erfolgen.

Da sich die Unterrichtspflicht des Arbeitgebers an dessen Kenntnisstand hinsichtlich der jeweils geplanten personellen Einzelmaßnahmen orientiert, sind wir hiermit unserer Informationspflicht ausreichend nachgekommen. Damit beginnt die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG mit Zugang dieses Schreibens.”

Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin daraufhin mit Schreiben vom 06.06.2007 (Bl. 12 d.A.) folgendes mit:

„in obiger Angelegenheit wurden unsere Fragen vom 23.05. d.J. nicht beantwortet.

Z.B. wer übernimmt die Aufgaben der Frau E1, da das Tagesgeschäft weitergehen muss.

Selbst wenn man davon ausginge, dass der Arbeitgeber nach vollzogener Maßnahme nachträglich das Mitbestimmungsverfahren einleiten und weiterbearbeiten möchte, sieht das Gesetz die Heilung einer vollzogenen Maßnahme nicht vor.

Wir verweisen darauf hin, dass das Verfahren nach § 99 BetrVG erst dann ordnungsgemäß eingeleitet ist, wenn dem Betriebsrat sämtliche Informationen zur Entscheidungsfindung vorliegen.

Für ein persönliches Gespräch stehen wir gerne zur Verfügung.”

Mit Schreiben vom 15.06.2007 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass die personelle Maßnahme mit Wirkung vom 20.06.2007 vorläufig durchgeführt werde, weil der ordnungsgemäße Arbeitsablauf in der Abteilung Unternehmensentwicklung erheblich gestört werde; Frau E1 solle im Bereich der Unternehmensentwicklung u.a. bereichsübergreifende, strategische Projekte begleiten.

Mit Schreiben vom 20.06.2007 (Bl. 14 d.A.) widersprach der Betriebsrat vorsorglich der Maßnahme und der vorgetragenen Dringlichkeit und ...

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