Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung. Schulungs-, Fahrtkosten. Erforderlichkeit der Schulung. aktueller betriebsbezogener Schulungsbedarf. Schulung über Schwerbehinderten-recht und behindertengerechte Arbeitsplatzgestaltung. ordnungsgemäßer Entsendebeschluss des Betriebsrats. ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats über die Einleitung eines Beschlussverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beteiligter in Beschlussverfahren ist, wer von der zu erwartenden Entscheidung in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen wird. Die einzelnen Betriebsratsmitglieder, die an einer Schulungsmaßnahme teilnehmen, sind grundsätzlich aus abgeleitetem Recht beteiligungsbefugt, selbst wenn der Betriebsrat von seinem Recht Gebrauch macht, den Arbeitgeber auf Kostenerstattung an das einzelne Betriebsratsmitglied in Anspruch zu nehmen.

2. Die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Schulungsveranstaltungen ist für die Betriebsratsarbeit erforderlich, wenn der Betriebsrat sie unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Situation benötigt, um seine derzeitigen oder demnächst anfallenden Arbeiten sachgerecht wahrnehmen zu können. Hierzu bedarf es regelmäßig der Darlegung eines aktuellen, betriebsbezogenen Anlasses, um annehmen zu können, dass die auf der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann.

3. Einer konkreten Darlegung der Erforderlichkeit des aktuellen Schulungsbedarfs bedarf es nicht, wenn es sich um die Vermittlung von Grundkenntnissen im Betriebsverfassungsrecht oder im allgemeinen Arbeitsrecht für ein erstmals gewähltes Betriebsratsmitglied handelt. Kenntnisse des Betriebsverfassungsgesetzes als der gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Betriebsrats sind unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Betriebsratsarbeit.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, §§ 40, 80 Abs. 1 Nr. 4, § 90 Abs. 1; SGB IX § 81 ff., § 93; BetrVG § 29 Abs. 2, §§ 3, 33-34

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Beschluss vom 07.03.2006; Aktenzeichen 2 BV 72/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 07.03.2006 – 2 BV 72/05 – teilweise abgeändert.

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, den Beteiligten zu 3. von den Kosten in Höhe von 415,60 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2004, Rechnungs-Nr. des Veranstalters: D 240613-047/9, freizustellen, die durch die Teilnahme des Beteiligten zu 3. an dem Seminar „Behindertengerechte Arbeitsplatzgestaltung und Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung” vom 05. – 07.07.2004 in O1xxxx, durchgeführt durch das D4x-B7xxxxxxxxxx N1x e.V., entstanden sind.

Die Arbeitgeberin wird ferner verpflichtet, an den Beteiligten zu 3. Fahrtkosten in Höhe von 45,00 EUR zu erstatten, die ihm durch die Fahrt zu der genannten Schulungsveranstaltung entstanden sind.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 07.03.2006 – 2 BV 72/05 – zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.

Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das mit ca. 220 Arbeitnehmern sich mit der Herstellung von gegossenen Metallrädern, -achsen etc. befasst.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte neunköpfige Betriebsrat.

Seit 1988 ist der Beteiligte zu 3. Mitglied des Betriebsrats. In der Wahlperiode 2002 bis 2006 war er Betriebsratsvorsitzender. Seit der Betriebsratsneuwahl vom 16.03.2006 ist er wieder einfaches Betriebsratsmitglied.

Mindestens seit dem Jahre 2004 fungierte der Beteiligte zu 3. außerdem als stellvertretende Vertrauensperson der Schwerbehinderten. Nachdem die Vertrauensperson der Schwerbehinderten, das Betriebsratsmitglied M3xxxxxxxx, zum 31.10.2005 aus dem Betrieb der Arbeitgeberin ausgeschieden war, rückte der Beteiligte zu 3. in dessen Position als Vertrauensperson der Schwerbehinderten nach.

Seit 2002 nahm der Beteiligte zu 3. an folgenden Schulungsveranstaltungen teil:

„09.04.2002

Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2002

11.06.2002

Tarifabschluß in der Metall- und Elektroindustrie 2002

25.09. – 26.09.2002

Gießerei-Fachtagung, Betr. VG § 37, 6

16.12. – 20.12.2002

Mittlere techn. Führungskräfte und Betriebsräte (B4.1)

Grundausbildung T 1

18.02. – 19.02.2003 und 01.12. – 02.12.2003

Seminare ERA (Teilnahme trotz Widerspruch)

29.10.2003

Kongress für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (A+A)

17.03.2004

Die aktuellen Entwicklungen im Rentenrecht und ihre

Auswirkungen auf die Arbeit von betrieblichen

Interessenvertretungen

01.04.2004

Fachtagung Arbeitsschutz”

Auf der Betriebsratssitzung vom 27.05.2004, zu der der Beteiligte zu 3. als Betriebsratsvorsitzender mit Schreiben vom 25.05.2004 (Bl. 162 d.A.) eingeladen hatte, fas...

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