Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmeranspruch auf Gewährung von Teilurlaubstagen

 

Leitsatz (amtlich)

Einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung von Teilurlaubstagen stehen grundsätzlich keine Rechtsgründe entgegen, soweit sichergestellt ist, dass pro Kalenderjahr jedenfalls ein Teilurlaub in Form von 12 aufeinanderfolgenden Werktagen gewährt wird.

Der Arbeitgeber kann Ansprüche auf Teilurlaubstage nur ablehnen, soweit dem im Einzelfall dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2; ZPO § 264 Nr. 2, § 533 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 27.05.2014; Aktenzeichen 21 Ca 371/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.06.2017; Aktenzeichen 9 AZR 120/16)

BAG (Urteil vom 27.06.2017; Aktenzeichen 9 AZR 120/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27.05.2014 (21 Ca 371/13) abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Beachtung von § 7 II BUrlG auf seinen Wunsch halbe Urlaubstage zu gewähren, sofern dem nicht im Einzelfall dringende betriebliche Erfordernisse oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegen stehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genießen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob der Kläger halbe Urlaubstage beanspruchen kann.

Der 57 Jahre alte mit einem Grad von 70 % behinderte Kläger ist seit dem 01.09.2002 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 11.09.2002 (Anl. K1, Bl. 4 - 7R d.A.) bei der Beklagten als Percussionist in Vollzeit für eine monatliche Vergütung von zuletzt € 4.800,- tätig. Nach § 8 I des Arbeitsvertrags erhält der Kläger, seit sein Arbeitsverhältnis länger als 48 Monate besteht, 30 Werktage Jahresurlaub.

Der Kläger wird für das Musical "X" eingesetzt, welches regelmäßig einmal pro Tag gespielt wird. An einigen Tagen - in der Regel Sonnabend und sonntags - gibt es Nachmittags- und Abendvorstellungen. Bis Oktober 2012 genehmigte die Beklagte dem Kläger an diesen Doppel-Show-Tagen jeweils halbe Urlaubstage. Der Kläger hatte dadurch auch an den Doppel-Show-Tagen nur an einer Vorstellung mitzuwirken, ohne Einkommensverluste hinnehmen zu müssen. Seit diesem Zeitpunkt weigert sich die Beklagte, dem Kläger halbe Urlaubstage zu genehmigen.

Der Kläger hat vorgetragen, Doppel-Show-Tage belasteten ihn psychisch und physisch sehr stark. Dem könne er durch halbe Urlaubstage entgegenwirken, ohne Gehaltseinbußen in Kauf nehmen zu müssen. Durch die Änderung ihrer Genehmigungspraxis verletze die Beklagte ihre Verpflichtung, ihm als behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben zu ermöglichen.

Der Kläger hat beantragt,

1. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auf dessen Urlaubswunsch jeweils halbe Urlaubstage an Doppelshowtagen zu gewähren;

2. die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf dessen Antrag Dienstbefreiung bezogen auf eine Vorstellung (4 Stunden pro Tag) in Form von Urlaub an Doppelshowtagen zu gewähren,

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, das Bundesurlaubsgesetz lasse halbe Urlaubstage nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe (Bl. 76 - 79 d.A.) wird Bezug genommen.

Gegen das am 27.05.2014 verkündete und dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.06.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.07.2014 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11.09.2014 - an diesem Tag begründet.

Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe dem Bundesurlaubsgesetz zu Unrecht ein Verbot entnommen, halbe Urlaubstage zu gewähren. Außerdem habe es die in der Behinderung des Klägers liegenden persönlichen Gründe unberücksichtigt gelassen. Letztlich habe das Arbeitsgericht dem Kläger eine behindertengerechte Beschäftigung versagt. Durch die Ablehnung halber Urlaubstage werde der Kläger als Behinderter diskriminiert, da er auch diese Art der Urlaubsgewährung zum Erhalt seines vollen Arbeitseinkommens angewiesen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27.05.2014 (21 Ca 371/13) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen

1. a) dem Kläger auf dessen Urlaubswunsch jeweils halbe Urlaubstage an Doppelshowtagen zu gewähren, es sei denn dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.

hilfsweise

b) dem Kläger auf dessen Urlaubswunsch im Umfang seines vertraglichen Urlaubsmehranspruchs jeweils halbe Urlaubstage an Doppelshowtagen zu gewähren, es sei denn dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.

weiter hilfsweise

2. a) dem Kläger auf dessen Antrag Dien...

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