Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Unterrichtung der Arbeitnehmer über einen Betriebsübergang. Verwirkung des Widerspruchsrechts bei nicht den Anforderungen entsprechende Unterrichtung der Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB weder über den Sitz der Übernehmerin noch über das für die Übernehmerin zuständige Registergericht informiert und fehlen zudem vollständige Angaben über die haftungsrechtlichen Folgen des Betriebsübergangs, entspricht das Unterrichtungsschreiben nicht den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB wird nicht in Lauf gesetzt (BAG 23.07.2009 - 8 AZR 558/08 - juris Rn 21).

2. Ist der Arbeitnehmer 8 Jahre und 10 Monate für die Übernehmerin tätig, begründet dies zwar für sich allein betrachtet noch keine Verwirkung seines Widerspruchsrechts. Doch ist das Zeitmoment in so schwerwiegender Weise verwirklicht, dass weniger gewichtige Umstände ausreichen, um von einer Erfüllung des Umstandsmoments ausgehen zu können (BAG 17.10.2013 - 8 AZR 974/12 - juris Rn 27).

3. Solche Umstände liegen vor, wenn der Arbeitnehmer einer örtlichen Versetzung durch die Übernehmerin Folge leistet, die für ihn mit einem Umzug und der Veränderung seiner persönlichen Lebensumstände verbunden ist. Hierdurch hat er sich in nach außen sichtbarer Weise zu dem Arbeitsverhältnis mit der Übernehmerin bekannt. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer auch durch sein sonstiges Verhalten im laufenden Arbeitsverhältnis deutlich gemacht hat, dass er die Übernehmerin als seine Arbeitgeberin akzeptiert, ist das Umstandsmoment verwirklicht. Bei der gebotenen Gesamtabwägung muss das Interesse des Arbeitnehmers an der Ausübung des Widerspruchsrechts aus Gründen des Vertrauensschutzes zurücktreten.

 

Normenkette

BGB §§ 613a, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 16.03.2016; Aktenzeichen 28 Ca 387/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.12.2017; Aktenzeichen 8 AZR 762/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts vom 16. März 2016 - Az. 28 Ca 387/15 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Widerspruch des Klägers gegen einen Betriebsübergang aus dem Jahr 2006.

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1979 beschäftigt. Im Dezember 2005 war er in der Service-Niederlassung Verbund-Instandhaltung der Beklagten tätig.

Gegenstand des Unternehmens war die Instandhaltung und die Vornahme von instandhaltungsnahen Tätigkeiten an Immobilien sowie an technischen und betrieblichen Objekten, die Durchführung von gesetzlichen und sonstigen Prüfungen sowie die Vornahme sonstiger betrieblicher Unterstützungsleistungen. Die Beklagte war fast ausschließlich für den Konzern D. zuständig.

Der Kläger wurde mit Schreiben vom 14. November 2005 über einen Betriebsübergang auf die D1 GmbH schriftlich informiert. Das Unterrichtungsschreiben vom 14. November 2005 beinhaltete keine Angaben zum Sitz der übernehmenden Gesellschaft und deren Anschrift, zum zuständigen Registergericht und zu der Registernummer. Bei den Angaben zu den Haftungsfolgen wurde die eingeschränkte Haftung der Beklagten nach § 613a Abs. 2 S. 2 BGB für Forderungen, die erst nach Betriebsübergang fällig werden, nicht erwähnt. Das Schreiben war vom Geschäftsführer der D1 GmbH Herrn C. unterzeichnet, der in der Unterschriftenzeile mit seiner Funktion aufgeführt war. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Informationsschreiben vom 14. November 2005 (Blatt 5 bis 8 d.A.) verwiesen.

Die D1 GmbH war mit Wirkung ab 1. Januar 2006 durch Neugründung im Rahmen einer Umstrukturierung des Konzerns D. AG entstanden. Im Wege eines Teilbetriebsübergangs wurden zum 1. Januar 2006 operative technische Dienstleistungen aus der D. AG zusammen mit dem hier tätigen Personal und den notwendigen Betriebsmitteln zur D1 GmbH verlagert. Hierzu hatten der Konzern D. AG und der bei diesem gebildete Konzernbetriebsrat am 16. November 2005 eine Konzernbetriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Etwa 600 Arbeitnehmer waren von diesem Betriebsübergang betroffen. Die D1 GmbH firmierte später um in C1 GmbH.

Seit dem 1. Januar 2006 arbeitete der Kläger als Servicekraft bei der D1 GmbH. Er erhob keinen Widerspruch und wendete sich auch nicht in anderer Weise gegen den Betriebsübergang.

Ab dem 2. Januar 2006 war dem Kläger durch die Verwendung der vorgeschriebenen Briefbögen bekannt, wo der Sitz der Betriebsübernehmerin war, wie die Geschäftsadresse und Handelsregisternummer lautete und welches das zuständige Handelsregister war. Auch die damals vertretungsberechtigten verantwortlichen Geschäftsführer waren auf den Briefbögen angegeben.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2006 gab die Betriebsübernehmerin dem Kläger auf ihrem Geschäftsbogen Informationen über sein Gehalt und seine neue Eingruppi...

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