Leitsatz (amtlich)

Weist der Arbeitgeber die Mitarbeiter in einem Merkblatt darauf hin, daß sie während des Erziehungsurlaubs Anspruch auf die Sonderzahlung haben, und zahlt er entsprechend Sonderzahlungen an Mitarbeiter/innen aus, obwohl weder der Arbeitsvertrag noch der einschlägige Tarifvertrag Sonderzahlungen versehen, so kann er diese Verfahrensweise einseitig korrigieren, wenn die Auslegung ergibt, daß der Arbeitgeber sich lediglich normgemäß verhalten wollte und sie über den Inhalt der Norm im Irrtum befand.

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 05.03.1997; Aktenzeichen 12 Ca 4246)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 04.05.1999; Aktenzeichen 10 AZR 89/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 5. März 1997 – 12 Ca 4246 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit des Erziehungsurlaubs ein Anspruch auf die vollen tariflichen Sonderzahlungen zusteht.

Die Klägerin ist nach ihren Angaben seit Juli 1990, nach Angaben der Beklagten seit dem 20. November 1990 bei der Beklagten als Bildschirmtypistin tätig. Mit Schreiben vom 20. November 1990 (Anlage B 1, Bl. 27 d.A.) bestätigte die Beklagte der Klägerin im Anschluß an ihren befristeten Arbeitsvertrag vom 23. August 1990 die Vereinbarung, wonach die Klägerin ab 01. Januar 1991 als Bildschirmtypistin beschäftigt wird. Regelungen über eine Sonderzahlung enthält die Bestätigung nicht. Dafür wird bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis den Bestimmungen des Tarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe unterliegt. Das monatliche Gehalt der Klägerin betrug zuletzt 4.100,00 DM brutto.

Nach § 3 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe (MTV) erhalten Angestellte, deren Monatsbezüge das höchste im Gehaltstarifvertrag geregelte Monatsgehalt zuzüglich Verantwortungszulage nicht um mehr als 10 % übersteigen, im letzten Quartal des Kalenderjahres eine Sonderzahlung in Höhe von 80 % ihres Bruttomonatsgehaltes. Für jeden Monat im zweiten Kalenderhalbjahr, in dem die Angestellte nicht für wenigstens 15 Tage Anspruch auf Bezüge oder Leistungen für die Zeiten der Schutzfristen und Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz hat, wird die Sonderzahlung um 1/6 gekürzt. Der für die Dauer des Mutterschaftsurlaubs anteilig gekürzte Betrag der Sonderzahlung wird der Angestellten nachgezahlt, wenn das Arbeitsverhältnis im Anschluß an den Mutterschaftsurlaub für mindestens 6 Monate fortgesetzt wird.

Am 25. September 1991 vereinbarten die Tarifvertragsparteien folgende Protokollnotiz:

„Die Parteien stimmen darin überein, daß die Nachzahlungsregelung für Arbeitnehmerinnen, die nach dem Mutterschaftsurlaub in das Unternehmen zurückkehren in gleichem Umfang, also begrenzt auf die Dauer und auf die anspruchsberechtigten Personen des früheren Mutterschaftsurlaubs entsprechend anzuwenden ist, wenn das Arbeitsverhältnis nach Abschluß des Erziehungsurlaubs fortgesetzt wird.”

Desgleichen sieht § 13 Ziffer 9 MTV unter den gleichen Voraussetzungen wie § 3 Ziffer 3 MTV eine Sonderzahlung im 2. Quartal des Kalenderjahres in Höhe von 50 % des Bruttomonatsgehaltes vor. Auch für diese Norm ist die Nachzahlung des für die Dauer des Mutterschaftsurlaubs anteilig gekürzten Betrages geregelt, wenn das Arbeitsverhältnis im Anschluß an den Mutterschaftsurlaub für mindestens 6 Monate fortgesetzt wird. Abweichend von § 3 Ziffer 3 MTV ist Berechnungszeitraum für Kürzungen das 1. Kalenderhalbjahr. Die Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien vom 25. September 1991 bezieht sich auch auf diese Norm.

Die Beklagte zahlte nach dem 25. September 1991 an ihre Mitarbeiterinnen, die sich in Erziehungsurlaub befanden, die vollen tariflichen Sonderzahlungen, wenn die Mitarbeiterinnen im Anschluß an den Erziehungsurlaub für 6 Monate Arbeitsverhältnis fortsetzten.

Die Klägerin befand sich vom 21. Januar 1994 bis zum 24. November 1995 in Erziehungsurlaub.

In einem Merkblatt zum Erziehungsurlaub und zur Familienphase hat die Beklagte unter Ziffer 8 folgendes niedergelegt;

„Sonderzahlung

Sie haben während des Erziehungsurlaubs Anspruch auf die Sonderzahlungen (im Mai bzw. im November). Der Anspruch auf den freiwillig gewährten Anteil der Sonderzahlungen besteht aber nur dann, wenn während der Zeit des Erziehungsurlaubs diese freiwilligen Anteile auch tatsächlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährt wurden.

Fällig werden die Sonderzahlungen allerdings erst dann, wenn Sie nach Wiederaufnahme Ihrer Tätigkeit mindestens 6 Monate gearbeitet haben.”

Die Beklagte hat der Klägerin im Mai 1994 eine anteilige Sonderzahlung in Höhe von 604,20 DM gewährt. Zusätzlich hat die Klägerin 6 Monate nach Beendigung des Erziehungsurlaubes weitere 2.416,80 DM (4/6) als Sonderzahlung erhalten.

Im November 1994 und Mai 1995 hat die Klägerin keine Sonderzahlung erhalten. Als November-Sonderzahlung 1995 hat die Klägerin anteilig 766,52 DM...

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