Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines unparteiischen Vorsitzenden der Einigungsstelle durch eine Betriebspartei ohne Begründung. Gerichtliche Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Einsetzung einer Einigungsstelle ist das schlichte "Nein" einer Betriebspartei gegen die als unparteiischer Vorsitzender benannte Person ausreichend, aber auch erforderlich, um deren gerichtliche Bestellung zu verhindern. In diesem Fall ist eine andere Person als unparteiischer Vorsitzender zu bestellen, und in dem Falle, dass auch die von der anderen Betriebspartei im Wege eines Widerantrags benannte Person abgelehnt wird, ein Dritter. All dies gilt nur bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs.

 

Normenkette

ArbGG § 100; BetrVG § 38 Abs. 2, § 76 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 26.09.2019; Aktenzeichen 1 BV 15/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats und unter ihrer Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. September 2019 - 1 BV 15/19 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Sachliche Vertretbarkeit der Freistellung des Betriebsratsmitglieds Herrn M. J." wird Herr Dr. G., Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Hamburg, bestellt.

Die Anzahl der vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat zu benennenden Beisitzer der Einigungsstelle wird auf jeweils zwei festgesetzt.

Im Übrigen werden der Antrag des zu 1. beteiligten Arbeitgebers und der Widerantrag des Betriebsrats abgewiesen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung der sachlichen Vertretbarkeit der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds.

Der antragstellende und zu 1. beteiligte Arbeitgeber (künftig: "Arbeitgeber") ist ein Fußballclub der 2. Bundesliga und führt gemeinsam mit den zu 3. bis 5. beteiligten Arbeitgeberinnen einen Gemeinschaftsbetrieb, in dem der zu 2. beteiligte elfköpfige Betriebsrat gebildet ist (künftig: "Betriebsrat").

Der Arbeitnehmer Herr M. J. ist seit dem 15. September 2011 als pädagogischer Mitarbeiter im Jugend-Talenthaus des Arbeitgebers mit einer Arbeitszeit von jahresdurchschnittlich 40 Wochenstunden beschäftigt (Anlagenkonvolut ASt 1 - Bl. 11 d.A.) und Mitglied des Betriebsrats (künftig: "Betriebsratsmitglied"). Seit Juni 2019 führen der Arbeitgeber und das Betriebsratsmitglied Gespräche über eine einvernehmliche Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.

Mit E-Mail vom 30. August 2019 (Anlage ASt 2 - Bl. 20 d.A.) beantragte der Betriebsrat beim Arbeitgeber die Freistellung des Betriebsratsmitglieds von dessen beruflicher Tätigkeit im Umfang von 20 Wochenstunden. Mit E-Mail vom 04. September 2019 (Anlage ASt 3 - Bl. 21 d.A.) begründete der Betriebsrat die Freistellung damit, dass sie zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Betriebsratsmitglieds dringend erforderlich sei:

"Diese Aufgaben sind z. B. Teilnahme, Vor- und Nachbereitung der Arbeitsgruppe zur Einführung von HRworks, die Erstellung und ggf. Verhandlung einer Betriebsvereinbarung zur neuen Personalverwaltungssoftware bzw. zum neuen Personalverwaltungstool, sowie die Überwachung der Einhaltung der geltenden Betriebsvereinbarungen im ICT-Bereich.

Für die Freistellung ... [des Betriebsratsmitglieds] überdies,

- Vorbereitung von Betriebsversammlungen ...

- Aufbau und Pflege der BR-Öffentlichkeitsarbeit ...

- Aufarbeitung der arbeitgeberseitig gelieferten unvollständigen und in Teilen widersprüchlichen Daten zum Mitarbeiter*innen-Bestand

- Aufbau einen wöchentlichen Mitarbeiter*innen-Sprechstunde

- Betriebsbegehungen durch den Betriebsrat, um die Arbeitssituationen und Arbeitsbedingungen vor Ort in Augenschein zu nehmen

- Führen eines Fristenkalenders

- Sondieren, aufbereiten und für die Betriebsratssitzung und den Betriebsausschuss bereitstellen von personellen Maßnahmen und arbeitgeberseitig eingebrachten Unterlagen."

Mit E-Mail vom 06. September 2019 (Anlage ASt 4 - Bl. 22 d.A.) teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, dass er die Wahl des Betriebsratsmitglieds für sachlich nicht vertretbar halte:

"So befand sich ... [das Betriebsratsmitglied] mit uns bis zuletzt in intensiven Gesprächen anlässlich eines einvernehmlichen Ausscheidens. Ferner halten wir ... [das Betriebsratsmitglied] sachlich für nicht geeignet, für die von dem Gremium angedachten Aufgaben, insbesondere Vorbereitung von Betriebsversammlungen, Aufbau und Pflege der PR-Öffentlichkeitsarbeit, Aufbau einer wöchentlichen Mitarbeiter-Sprechstunde sowie Führen eines Fristenkalenders persönlich geeignet zu sein. Hier dürfte es etliche andere Personen im Gremium geben, die für die Bearbeitung dieser - teilweise sehr anspruchsvollen - Aufgaben deutlich besser geeignet sind.

..."

Mit E-Mail vom 12. September 2019 (Anlage ASt 6 - Bl. 24 d.A.) teilte der Betriebsrat dem Arbeitgeber u.a. mit:

"Der Betriebsrat beschließt auf seiner Sitzung am 12.9.2019, ... [das Betriebsratsmitglied] nach § 38 BetrVG mit 20 Wochenstunden im Rahm...

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