Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung. Gleichbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gewährt ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern auf Grund einer Gesamtbetriebsvereinbarung einen Zuschuss zu entstandenen Krankheitskosten (Beihilfe) und gewährt er „auf freiwilliger Basis” eine Beihilfe auch an die Betriebsrentner, entsteht gegenüber den Betriebsrentnern kein Anspruch auf ungekürzte Beihilfe aus betrieblicher Übung.

2. Der Arbeitgeber verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn er für die aktive Belegschaft und die Betriebsrentner bei der Gewährung von Beihilfe einen unterschiedlichen Selbstbehalt einführt. Es liegen sachliche Gründe vor, wenn der Selbstbehalt bei den Betriebsrentnern höher ausfällt als bei den aktiven Belegschaftsmitgliedern.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 27.05.2003; Aktenzeichen 6 (a) Ca 4902/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.05.2005; Aktenzeichen 3 AZR 660/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Essen vom27.05.2003 – 6 (1) Ca 4902/02 – wird kostenfällig als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob dem Kläger als Betriebsrentner gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf ungekürzte Gewährung von Zuschüssen zu verbleibenden Krankheitskosten (Beihilfe) zusteht.

Der Kläger war bei dem Beklagten seit 1974 bis zum Eintritt in den Ruhestand am 31.03.2000 als Dipl.-Ingenieur und amtlich anerkannter Sachverständiger beschäftigt.

Die Verordnung über die Organisation der technischen Überwachung vom 02.12.1959 (GVBl. NW 1959, Seite 174) verpflichtete den Beklagten dazu, für seine angestellten Sachverständigen, die als Beliehene tätig sind, eine dem öffentlichen Dienst vergleichbare Versorgung zu gewähren. § 6 Ziffer 6 der Verordnung bestimmt:

„Die Überwachungsorganisation hat den bei ihr angestellten Sachverständigen den Bezügen der vergleichbaren Beamten oder Angestellten des Landes NRW angeglichene Vergütung sowie eine Alters-, Hinterbliebenen- und Dienstunfähigkeitsversorgung zu gewähren; sie hat für die Sachverständigen eine Dienstunfähigkeitsversorgung in angemessener Höhe abzuschließen”.

Bei dem Beklagten existiert eine Vereinsordnung, die u.a. Beihilfen im Krankheitsfall für aktiv Beschäftigte und deren Familienangehörige vorsah. Sie wurde unter dem 15.12.1978 neu gefasst. Eine Beihilfengewährung an Betriebsrentner ist von der Vereinsordnung nicht vorgesehen. Die Vereinsordnung war mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart und fand Anwendung auch auf den Kläger. Sie lautete in Auszügen wie folgt:

Teil IV: Beihilfen

34 Beihilfen im Krankheitsfall

34.1 Der Verein gewährt den Mitarbeitern im Falle von Krankheit Beihilfen zu den Kosten der ambulanten Arztbehandlung und zu den Aufwendungen für ärztlich verordnete Heilmittel (einschließlich Zahnbehandlung und Zahnersatz).

Beihilfen zu den Krankenhauskosten gewährt der Verein nur Mitarbeitern, die in der Vergütungsgruppe A 08 oder höher eingruppiert sind sowie solchen Mitarbeitern, die 10 Jahre oder länger beim Verein tätig sind.

34.2 Voraussetzung für eine Beihilfegewährung sind:

c) dass der Mitarbeiter für sich und seine beihilfeberechtigte Familienangehörigen (Ehegatten und kindergeldberechtigte Kinder) bei einer Krankenkasse oder einer Krankenversicherung einschlägig mit einem angemessenen Beitrag und gemäß dem Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist.

Im Jahre 1989 erwog der Beklagte Einsparungen bei den Beihilfen. In einem Besprechungsprotokoll des Fachbereiches Personal- und Sozialwesen hießt es u.a.:

„Es wurde überlegt, ob man die Angehörigen eines Mitarbeiters oder die Versorgungsempfänger anders behandeln sollte als den Mitarbeiter selbst. U.U. könnten diesen Personen ganz oder teilweise von der Beihilferegelung ausgeschlossen werden, wobei die Versorgungsempfänger eine solche Regelung besonders hart treffen würde, weil sie bisher mit einer Beihilfe rechnen konnten, sich eventuell auch entsprechend versichert haben und jetzt u.U. nicht mehr in der Lage sind, ihre Krankenversicherung zu ändern bzw. aufzustocken, ggf. nur bei Zahlung erheblicher Beitragszuschläge.”

Eine Änderung hinsichtlich der Beihilfen für Betriebsrentner wurde zunächst nicht vorgenommen.

Die Organisationsversorgung aus dem Jahre 1959 wurde zum 31.12.2000 außer Kraft gesetzt, BGBl. I S. 2053.

Bis zum 31.12.2000 gewährte der Beklagte über die Vereinsordnung hinaus auch Betriebsrentnern dieselben Beihilfen, die an die aktiven Mitarbeitern geleistet wurden. Die Zahlung der Beihilfe erfolgte jeweils mit dem folgenden Text:

„…,zu den entstandenen…erhalten Sie auf freiwilliger Basis einen einmaligen Zuschuss von DM…”

Mit Schreiben vom 12.01.2001 (Bl. 8 ff. d.A.) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass ab 01.01.2001 eine neue Regelung für Beihilfen an Betriebsrentner gelte und „Beihilfen nur noch dann gezahlt werden, wenn sich als Zuschusszahlung in dem Kalenderjahr ein höherer Betrag als 1.000,00 DM ergibt, wobei der über 1.000,00 DM lie...

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