Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Unterrichtung über den Betriebsübergang. Widerspruchsrecht. Verwirkung des Widerspruchsrechts. Verwirkung. Umstandsmoment. Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage gegen die von einem Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung kann jedenfalls dann nicht als Umstandsmoment im Rahmen der Prüfung, ob das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers verwirkt ist, gewertet werden, wenn dem Veräußerer dieses Umstandsmoment nicht bekannt ist.

 

Normenkette

KSchG § 4; BGB § 613a Abs. 5-6

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 21.05.2007; Aktenzeichen 1 Ca 243/07 lev)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 21.05.2007 – 1 Ca 243/07 lev – wird zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht.

II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 13.10.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Zudem macht er gegenüber der Beklagten Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.

Der am 24.04.1950 geborene, verheiratete Kläger, der einem Kind zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit Juli 1974 bei der Beklagte als Leiter Prozesstechnik als außertariflicher Mitarbeiter zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 4.776,30 EUR beschäftigt. Zuletzt war er am Standort in München tätig. Außerdem erhielt der Kläger Bonuszahlungen nach der Gesamtbetriebsvereinbarung „Rahmenbedingungen eines Bonusplans für die außertariflichen Angestellten” vom 05.01.2004.

Der Kläger war schwerpunktmäßig im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.

Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen.

Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.

Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im Wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.

Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs. 5 und 6 BGB teilt die Beklagte mit, es werde hiermit „noch einmal” schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben, auch wenn er – der Kläger – „aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert” sei.

Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. Photo GmbH übernehme das Vermögen von CI. Hierzu gehörten insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen. Das Unternehmen werde mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfüge über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.

Unter Ziffer 4. dieses Schreibens hat die Beklagte den geplanten Personalabbau dargelegt.

Unter Ziffer 5. hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass sein Arbeitsverhältnis nach ihrer Planung von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4. betroffen sei. Die Zustimmung des Betriebsrates zu einem...

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