Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB im Fall eines tariflich „unkündbaren” Arbeitnehmers. Notwendigkeit, dem Betriebsrat den tariflichen Kündigungsschutz mitzuteilen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Arbeitnehmer aufgrund einer tariflichen Vorschrift nur noch aus wichtigem Grund kündbar, so ist an den wichtigen Grund kein strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen als im Normalfall des § 626 Abs. 1 BGB (gegen die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt 08.06.2000 – 2 AZR 638/99 – NZA 2000, 1282 unter B I 1 der Gründe).

2. Da sich der tarifliche Kündigungsschutz bei der Prüfung einer außerordentlichen Kündigung materiell-rechtlich nicht zugunsten des Arbeitnehmers auswirkt, braucht der Arbeitgeber diesen dem Betriebsrat jedenfalls dann nicht mitzuteilen, wenn er sich vom Arbeitnehmer aufgrund des Kündigungssachverhaltes mit sofortiger Wirkung trennen möchte.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Krefeld (Urteil vom 05.02.2001; Aktenzeichen 4 Ca 2777/00)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 05.02.2001 – 4 Ca 2777/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über zwei außerordentliche Kündigungen der Beklagten sowie Weiterbeschäftigung.

Der am 04.12.1944 geborene, verheiratete Kläger war bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern seit 1980 als Hausmeister gegen ein Monatsbrutto von zuletzt 5.500,– DM beschäftigt. Nach den arbeitsvertraglichen Abreden der Parteien fand auf das Arbeitsverhältnis jedenfalls § 15 des Manteltarifvertrages für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft vom 03.06.1997 (im Folgenden: MTV) Anwendung. Dessen Abs. 4 lautet:

Beschäftigte, die mindestens zehn Jahre dem Betrieb angehören und 55 Jahre alt sind oder die 15 Jahre dem Betrieb angehören und 50 Jahre alt sind, sind nur aus wichtigem Grund kündbar. Ausgenommen sind zumutbare Änderungskündigungen und Kündigungen als Folge erheblicher Einschränkung durch Fortfall wesentlicher Unternehmensaufgaben.

Die Beklagte führt Hausmeistertätigkeiten in Objekten ihrer Muttergesellschaft „G.” aus. Sie beschäftigt ca. 420 Hausmeister. Der Kläger war zuletzt in einer Anlage in K. eingesetzt. Er hatte u.a. die Aufgabe, Schäden an den verwalteten Wohnungen zu melden. Bei Notreparaturen war er unmittelbar zur Auftragserteilung an die Handwerksunternehmen berechtigt. Im Übrigen empfahl er der ihm übergeordneten Geschäftsstelle der Beklagten geeignete Handwerker, die regelmäßig sodann auch beauftragt wurden. Der Kläger war zudem dafür zuständig, die Stundenzettel der Handwerker abzuzeichnen.

Am 18.08.2000 teilte ein Mitarbeiter der Muttergesellschaft der Beklagten einem ihrer Geschäftsführer mit, er sei von der Firma S. Heizungs- und Sanitärbau GmbH (im Folgenden: Firma S.) angesprochen worden, weshalb diese seit ca. acht Monaten keine Aufträge mehr erhalten habe. Dabei habe die Firma behauptet, der Kläger habe „Druck ausgeübt”, indem er bekundet habe, ihr sowie der Firma St. Heizungs- und Sanitärbau GmbH (im Folgenden: Firma St.) nur dann Aufträge zu erteilen, wenn sie sich ihm gegenüber erkenntlich zeigten. Im Hinblick darauf seien dem Kläger Zuwendungen seitens der beiden Firmen gemacht worden. Diese hätten in der Hingabe von Schecks und der Durchführung von Sanitärarbeiten in der Wohnung des Klägers bestanden. Die Firmen S. und St. sind familiär miteinander verflochten. Die Tochter der geschäftsführenden Gesellschafter der Firma S. war geschäftsführende Gesellschafterin der Firma St., Beide Firmen waren unter einer Anschrift geschäftsansässig. Die Firma St. ist durch Gesellschafterbeschluss vom 21.03.2000 aufgelöst.

Der Geschäftsführer der Beklagten verabredete für den 21.08.2000 einen Besprechungstermin mit den Firmen St. und S., an dem die Eheleute F. als die geschäftsführenden Gesellschafter der Firma S., ein Geschäftsführer der Firma St. sowie die stellvertretende Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten, für den Kläger zuständigen Betriebsrats teilnahmen. Der Betriebsratsvorsitzende war seinerzeit erkrankt. Die Eheleute F. präzisierten die Vorwürfe gegenüber dem Kläger dahingehend, dieser habe eine hochwertige Einhebelmischarmatur, einen Rasenmäher, eine Küchenspüle, die Erbringung von Sanitärleistungen (Verlegung von Wasserrohren) im Garten der Tochter des Klägers sowie einen Scheck über 500,– DM erhalten. Bezogen auf den Scheck legten sie eine Fotokopie vor (Bl. 37 d. A.). Der Scheck war am 04.02.1999 von der Firma St. ausgestellt worden. Als Berechtigte war die Ehefrau des Klägers eingetragen. Der Scheck wurde Anfang März 1999 auf einem Konto der Ehefrau gutgeschrieben.

Der Geschäftsführer der Beklagten fuhr im Anschluss an das Gespräch zusammen mit der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden zum Kläger. Er konfrontierte ihn in Gegenwart der Ehefrau des Klägers sowie der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden dam...

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