Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzahlung. Kürzungsmöglichkeit für die Zeit des Erziehungsurlaubs

 

Leitsatz (amtlich)

Eine „arbeitsleistungsbezogene” Sonderzahlung, die auch ohne ausdrückliche Vereinbarung für die Zeit des Erziehungsurlaubs gekürzt werden kann, kann auch dann vorliegen, wenn die Sonderleistung als Gratifikation bezeichnet ist und das Entstehen des Anspruchs davon abhängt, daß das Arbeitsverhältnis über die vereinbarte Probezeit hinaus fortbesteht.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 16.07.1997; Aktenzeichen 4 Ca 1896/97-5)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 16.07.1997 – 4 Ca 1896/97-5 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Sonderleistung für das Jahr 1996, in dem die Klägerin im Erziehungsurlaub war.

Die Klägerin ist seit dem 14.10.1991 als Handelsfachpackerin bei der Beklagten zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 3.182,– DM brutto beschäftigt.

In dem am 30.09.1991 abgeschlossenen Arbeitsvertrag heißt es unter Ziffer 10:

„Gratifikation

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine jährliche Gratifikation in Höhe des am Ende des entsprechenden Kalenderjahres maßgebenden Monatslohnes, jeweils zahlbar mit dem Novembergehalt.

Erfolgt der Eintritt/Austritt während des Jahres, so wird die Gratifikation pro rata temporis ausgerichtet, sofern der Vertrag nicht während der Probezeit aufgelöst wird.”

Die Klägerin befindet sich seit dem 07.01.1996 im Erziehungsurlaub. Für das Jahr 1996 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Gratifikation anteilig für sieben Tage in Höhe von 61,02 DM brutto. Eine weitere Zahlung für die Zeit des Erziehungsurlaubs lehnte sie ab.

Mit ihrer am 16.04.1997 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen Klage hat die Klägerin die Beklagte auf volle Zahlung der jährlichen Sonderleistung in Anspruch genommen.

Sie hat die Auffassung vertreten, bei der arbeitsvertraglich vereinbarten Sonderzahlung handle es sich um eine Gratifikation im Rechtssinne, deren Zahlung lediglich den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses voraussetze, nicht aber eine tatsächliche Arbeitsleistung. Dies ergebe sich schon aus der Bezeichnung der Sonderzahlung als Gratifikation. Die pro-rata-temporis-Regelung in Ziffer 10 Satz 2 des Arbeitsvertrages stehe dem nicht entgegen, vielmehr sei danach die Zahlung ausschließlich im Ein- und Austrittsjahr von der tatsächlichen Arbeitsleistung abhängig gewesen. Wenn die Beklagte auch sonstige Ruhenstatbestände hätte ausschließen wollen, hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 3.182,– brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 01.12.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, zu der Bezeichnung der Sonderleistung als Gratifikation im Arbeitsvertrag sei es nur deshalb gekommen, weil sie in Unkenntnis der Bedeutung des Begriffs im deutschen Arbeitsrecht die Formulierung aus den Schweizer Arbeitsverträgen mit der Muttergesellschaft übernommen habe. Richtigerweise handle es sich bei der Sonderleistung nicht um eine Gratifikation, sondern um eine ausschließlich arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung, die für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nicht geschuldet werde. Dies folge zum einen aus der pro-rata-temporis-Regelung in Ziffer 10 Satz 2 des Arbeitsvertrages und zum anderen aus dem Fehlen eines Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalts, einer Stichtags- und Rückzahlungsregelung. Auch die Vereinbarung unter Ziffer 10 Satz 2 letzter Teilsatz führe nicht zu einer anderen Auslegung. Mit derartigen Wartezeitregelungen werde nur vorab eine zukünftige Gehaltserhöhung vereinbart.

Durch Urteil vom 16.07.1997 hat das Arbeitsgericht Wuppertal die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 3.182,– DM festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Auslegung der arbeitsvertraglichen Regelung führe zu dem Ergebnis, daß die der Klägerin zugesagte Sonderzahlung Arbeitsentgelt im engeren Sinne sei, welches für Zeiten des Erziehungsurlaubs nicht geschuldet werde.

Gegen das ihr am 19.09.1997 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 20.10.1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren, dem Gericht am 13.11.1997 vorliegenden Schriftsatz begründet.

Sie vertritt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin die Auffassung, daß es sich bei der Sonderzahlung um eine Leistung mit Gratifikationscharakter handle. Ergänzend führt sie aus, auch die Regelung in Ziffer 10 Satz 2 zweiter Halbsatz zeige, daß die Sonderleistung nicht reines Arbeitsentgelt sei. Wenn danach bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Probezeit kein Anspruch auf die Zahlung bestehe, bedeute dies, daß mit der Leistung zumindest auch erwiesene Betriebstreue belohnt werde. Schließlich sei der Anspruch schon deshalb ...

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