Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Störung des Betriebsfriedens durch bloße Streitigkeiten zwischen Mitarbeitern. Strenger Maßstab für Auflösungsanträge. Objektiver Maßstab bei Bedingtheit einer Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Persönliche Nachrichten oder die Übersendung von Fotos durch einen Mitarbeiter an den anderen sind keine arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen und stören nicht automatisch den Betriebsfrieden und berechtigen nicht zu einer verhaltensbedingten Kündigung.

2. Die Drohung eines Arbeitnehmers reicht für eine betriebsbedingte Druckkündigung nicht aus.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 9 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Entscheidung vom 27.06.2019; Aktenzeichen 2 Ca 547/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 27.06.2019 - 2 Ca 547/19 wird unter gleichzeitiger Abweisung des Auflösungsantrages zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie über einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberseite.

Der am 11.05.1988 geborene Kläger ist auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 09.08.2012 seit dem 01.10.2012 als Lagerfacharbeiter im Bereich Versand bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Sein durchschnittliches monatliches Bruttoentgelt beträgt 3.555,04 €. Der Kläger ist auch Sicherheitsbeauftragter bei der Beklagten.

Unter dem 27.08.2018 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zwischenzeugnis. Auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom 17.06.2019 eingereichte Anlage K 4 (Blatt 82 der Akte) wird Bezug genommen.

Mitte des Jahres 2018 kam es zu Unruhen im Betrieb. Es fanden mehrere Gespräche im Betrieb mit wechselnden Teilnehmern statt. Am 23.08.2018 führte der Personalreferent I. H. ein Gespräch mit dem Kläger im Beisein des Betriebsratsmitglieds O. T.. Am 28.11.2018 wurde ein Gruppengespräch anberaumt, an welchem der Vorgesetzte des Klägers, Herr U. L., der Betriebsratsvorsitzende Q. C., das Betriebsratsmitglied O. T. und der Personalreferent I. H. mit dem Kläger und dessen Kollegen teilnahmen. Am 15.01.2019 fand ein weiteres Personalgespräch zwischen dem Kläger und der Personalleiterin der Beklagten statt. Am 21.01.2019 wurden alle Kollegen des Klägers im Versand zur Zusammenarbeit befragt. Verlauf und Einzelheiten dieser Gespräche sind zwischen den Parteien streitig.

Schließlich wurden der Kläger sowie Herr L. am 06.02.2019 vor dem gesamten Betriebsrat angehört. Der Betriebsrat schlug vor, die Möglichkeit einer Versetzung des Klägers zu prüfen.

Die Beklagte stellte den Kläger mit Schreiben vom 18.02.2019 von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 25.02.2019, welches dem Kläger am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht zum 30.04.2019.

Der Betriebsrat hatte zuvor mit Schreiben vom 22.02.2019 Bedenken gegen die Kündigung erhoben. Auf die Stellungnahme des Betriebsrates vom 22.02.2019 (Anlage 10 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20.05.2019, Blatt 73 der Akte) wird Bezug genommen.

Der Kläger hat der Beklagten nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens am 05.08.2019 ein Schreiben, welches von der Beklagten als Anlage 18 zum Schriftsatz vom 18.10.2019 eingereicht wurde (Blatt 207 der Akte), zukommen lassen. Des Weiteren hat der Kläger mit E-Mail vom 05.08.2019 an Herrn U. I. Fragen zu einem Vorfall im Betrieb gestellt bzw. seine Stellungnahme hierzu abgegeben. Auf den von der Beklagten als Anlage 19 zum Schriftsatz vom 18.10.2019 eingereichten Ausdruck (Blatt 209 der Akte) wird Bezug genommen. Der Mitarbeiter H. hat inzwischen mit Schreiben vom 09.08.2019 das Arbeitsverhältnis zum 15.09.2019 gekündigt.

Der Kläger hat am 18.03.2019 Kündigungsschutzklage erhoben und die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung gerügt sowie die ordnungsgemäße Anhörung des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates bestritten.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25.02.2019 beendet wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger den betrieblichen Ablauf und den Betriebsfrieden seit Mitte des Jahres 2018 in erheblichem Maße störe. Dies wirke sich nicht nur im Bereich Versand, sondern auch über seinen eigentlichen Arbeitsbereich hinaus aus. Kollegen und Vorgesetzte des Klägers würden sich fortgesetzt über diesen beschweren. Der Kläger belästige Mitarbeiter der Beklagten insbesondere durch SMS und WhatsApp Nachrichten, die zum Teil auch bedrohlich seien. Der Schichtleiter H. habe am 27.12.2018, nachdem er eine SMS des Klägers erhalten habe, um ein persönliches Gespräch mit der Personalleiterin C. gebeten. Dieses Gespräch habe am gleichen Tag stattgefunden. Der Mitarbeiter H. habe der Personalleiterin unter Tränen und sichtlich psychisch bela...

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