Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialplanabfindung bei vorzeitiger Altersrente. Diskriminierungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Betriebsparteien dürfen in einem Sozialplan unterschiedliche Berechnungsformeln für Abfindungen rentennaher und rentenferner Jahrgänge zugrunde legen. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn als Stichtag die Vollendung des 58. Lebensjahres zugrunde gelegt wird.

2. Für die rentennahen Jahrgänge kann die Abfindung so berechnet werden, dass die Zeit bis zum regulären Renteneintritt überbrückt wird. Hingegen ist es in der Regel nicht zulässig, die Abfindung auf die Zeit bis zum frühestmöglichen Renteneintritt zu begrenzen, sofern der Arbeitnehmer die Rente nur mit einer Kürzung beanspruchen könnte und sich entschließt, keine vorzeitige Altersrente zu beantragen. Die Grundsätze, die der EuGH mit der Entscheidung vom 12.10.2010 – C-499/08 – („Andersen”) aufgestellt hat, sind auch bei Sozialplänen zu beachten (Abweichung von LAG Rheinland-Pfalz v. 10.03.2011 – 10 Sa 547/10 –). Ob etwas anderes dann gilt, wenn derart wenige Mittel vorhanden sind, dass ein angemessener Ausgleich des Arbeitsplatzverlustes für sämtliche Arbeitnehmer ausgeschlossen ist, bleibt unentschieden.

 

Normenkette

BetrVG § 75 Abs. 1; AGG § 10 S. 3 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 11.04.2011; Aktenzeichen 12 Ca 5887/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.03.2013; Aktenzeichen 1 AZR 813/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.04.2011 – AZ: 12 Ca 5887/10 – teilweise abgeändert.

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 39.217,95 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2011 zu zahlen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 16.901,07 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2011 zu zahlen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 80% und die Beklagte zu 20%. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 79% und die Beklagte zu 21% zu tragen.

IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch über die Zahlung einer höheren Sozialplanabfindung einschließlich eines Jubiläumsgeldes, nachdem erstinstanzlich zunächst auch über die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen gestritten worden ist.

Die Beklagte gehört zu einem großen Luft- und Raumfahrt-Konzern. Sie verfügte bislang in Deutschland über Standorte in E., F., I., T., V., C. und V.. Der am 02.07.1948 geborene, verheiratete Kläger war in der Zeit vom 05.06.1974 bis zum 31.03.2011 bei der Beklagten in deren E. Betrieb sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sein letztes monatliches Bruttoentgelt betrug 5.633,69 EUR.

Im Jahr 2010 traf die Beklagte die unternehmerische Entscheidung, einige Standorte, darunter den Betrieb in E. zu schließen, und die Arbeitsplätze auf andere Standorte zu verlagern. Über die Gesamtmaßnahme führte die Beklagte Verhandlungen mit ihrem Gesamtbetriebsrat. Die Interessenausgleichsverhandlungen wurden im Rahmen einer Einigungsstelle am 27.04.2010 für gescheitert erklärt. Unter dem Datum des 16.06.2010 einigten sich die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat auf den Abschluss eines Sozialplans, der u.a. folgende Regelungen enthält:

„1. Geltungsbereich

1.1 Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer (Beschäftigte) der F.-Betriebe T., F., I., E. und V., die in Folge der betriebsändernden Maßnahmen im Zuge des Projekts Trigonium von einer Verlagerung ihres Arbeitsplatzes an einen anderen Arbeitsort betroffen sind und das Versetzungsschreiben erhalten haben.

2.4.Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis

Es werden keine Abfindungen gewährt, wenn ein Beschäftigter in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt werden kann und die Weiterbeschäftigung ablehnt. Die Zumutbarkeit bestimmt sich gemäß Anlage 1 dieses Sozialplans und in Anlehnung an § 112 Abs.5 Ziff. 2 BetrVG.

Sollte die Weiterbeschäftigung an dem neuen Arbeitsort nicht zumutbar sein und der Beschäftigte sich für ein Ausscheiden aus der F. entscheiden, erhält er eine einmalige Abfindung gemäß den nachfolgenden Regelungen.

Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, fallen ausschließlich unter die Regelung der Ziffer 2.5.

1. Berechnung der Abfindung

1.1. Als Grundbetrag werden einheitlich EURO 2.500,– gezahlt.

1.2. Als Steigerungsbetrag erhalten ausscheidende Beschäftigte folgende Abfindungsleistung:

Lebensalter × Betriebszugehörigkeit × Bruttomonatsentgelt

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Für die Ermittlung der Abfindung gelten folgende Definitionen:

  • • Lebensalter und Betriebszugehörigkeit

    Jahre zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, berechnet auf zwei Stellen nach dem Komma und auf eine Stelle hint...

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