Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine tariflichen „Tätigkeitsjahre” bei Erziehungsurlaub/Elternzeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Steigerung des tariflichen Entgelts nach „Tätigkeitsjahren” in § 8 Abs. 3 BETV gilt nicht für den Zeitraum eines Arbeitsverhältnisses, das wegen Erziehungsurlaubs/Elternzeit ruht.

2. Dem stehen auch europarechtliche Regelungen nicht entgegen.

3. Die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts über die Zahlung einer Zulage an Grundwehrdienstleistende analog § 6 Abs. 4 Satz 2 ArbPISchG (Urt. v. 28.06.1994 – 3 AZR 988/93 –) sind auf Zeiten des Erziehungsurlaubs (Elternzeit) nicht übertragbar.

 

Normenkette

Bundes-EntgeltTV (BETV) für die Chemische Industrie § 8 Abs. 2b, 3

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 26.08.2004; Aktenzeichen 3 Ca 2397/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Essen vom26.08.2004 – 3 Ca 2397/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Streitwert: unverändert (848,00 EUR).

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen tariflichen Differenzlohnbetrag aus dem Zeitraum 01.09.2003 bis 30.04.2004.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der chemischen Industrie. Sie beschäftigt an ihrem Standort F. ca. 1.400 Arbeitnehmer. Die Klägerin, geboren am 09.02.1975, ist dort seit September 1992 als Chemikantin tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit die Tarifverträge der Chemischen Industrie Anwendung. Die Vergütung der Klägerin, zuletzt ca. 2.650,00 EUR brutto pro Monat, erfolgt nach Entgeltgruppe E 6 des Bundesentgelt-Tarifvertrags für die Chemische Industrie West (BETV). Nach § 8 Abs. 3 BETV beträgt der Anfangssatz der Entgeltgruppe E 6 100 % des Tarifentgelts. Nach zwei Tätigkeitsjahren erhöht sich das Tarifentgelt auf 106 %, nach vier Tätigkeitsjahren auf 111 % und „nach 6 Tätigkeitsjahren” auf 116 % des Anfangssatzes.

Die Klägerin befand sich in der Zeit von August 2000 bis August 2003 im Erziehungsurlaub bzw. in Elternzeit. Mit Schreiben vom 13.06.2001 teilte die Beklagte ihr mit, dass sie die Klägerin in der Entgeltgruppe E 06/04 führe (Entgeltgruppe 06, 3. Stufe). Die Klägerin nahm ihre Tätigkeit im September 2003 wieder auf. Nachdem sie sich im Januar 2004 zunächst an den Betriebsrat gewandt hatte, machte sie mit Schreiben an die Beklagte vom 29.04.2004 geltend, dass ihr ab Juni 2003 die Endstufe aus ihrer Entgeltgruppe (E 06/6) zustehe. Die Beklagte zahlte die Vergütung aus der beanspruchten Entgeltgruppe E 06/6 mit Wirkung vom 01.05.2004. Der monatliche Differenzbetrag zur vorangegangenen Vergütung beläuft sich auf 106,00 EUR brutto.

Mit der vorliegenden Klage, die am 01.06.2004 beim Arbeitsgericht Essen eingegangen ist, macht die Klägerin die Zahlung des monatlichen Differenzbetrags für den Zeitraum 01.09.2003 bis 30.04.2004 in Höhe von insgesamt (8 × 106,00 EUR =) 848,00 EUR brutto geltend. Hierzu hat sie vorgetragen:

Für die Zeit ihres ruhenden Arbeitsverhältnisses, um die sich wegen ihres Erziehungsurlaubs ihr (tariflicher) Zeitaufstieg verzögert habe, habe sie entsprechend den Ausführungen im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.06.1994 – 3 AZR 988/93 – eine Zulage in Höhe des Differenzbetrages zu dem tatsächlich gezahlten Tarifentgelt zu beanspruchen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 848,00 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (05.06.2004) zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist dem Vorbringen der Klägerin mit Rechtsausführungen entgegengetreten.

Das Arbeitsgericht Essen hat die Klage mit Urteil vom 26.08.2004 – 3 Ca 2397/04 – abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass es nach den Tarifregelungen auf „Tätigkeitsjahre” ankomme und nicht auf den bloßen Bestand eines ruhenden Arbeitsverhältnisses. Ebenso wenig sei ein Anspruch auf Zahlung einer Zulage gegeben.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Berufung, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 15.02.2005 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Ergänzend beruft sie sich auf Bestimmungen in den Richtlinien 96/34 EG vom 03.06.1996 sowie 2002/73 EG vom 23.09.2002. Die Beklagte beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Berufung. Auf das Berufungsvorbringen beider Parteien wird Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstands auf den übrigen Akteninhalt.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig: Sie ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG).

II.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin führt nicht zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

1. Für den Zeitraum 01.09.2003 bis 31.12.2003 kann zunächst dahingestellt bleiben, ob der von der Klägerin geltend gemac...

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