Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsanhörung. Betriebsübergang. Widerspruch. Betriebsratsanhörung nach Betriebsübergang und Widerspruch. Arbeitnehmerüberlassung. Konzernleihe. Verleiherbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es kann offen bleiben, ob unter der Annahme, dass Arbeitnehmer, die im Fall des Übergangs ihres Beschäftigungsbetriebs Widerspruch i. S. v. § 613a Abs. 6 BGB erhoben haben, betriebslos und also betriebsratslos werden, allein deshalb, weil ein anderer Betrieb des Arbeitgebers, z. B. die Hauptverwaltung, das Kündigungsrecht ausübt, der in diesem Betrieb gewählten Betriebsrat zur Kündigung nach § 102 Abs. 1 BetrVG anzuhören wäre (BAG, Urteil vom 21.03.1996 – 2 AZR 559/95).

2. Jedenfalls sind Arbeitnehmer, wenn sie nach dem Widerspruch im Wege der „Konzernleihe” von ihrem Arbeitgeber an den Betriebserwerber zur Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist überlassen werden, hinsichtlich einer nachfolgenden Kündigung dem „Verleiherbetrieb” des Arbeitgebers zuzuordnen, so dass der Arbeitgeber einen dort gewählten Betriebsrat vor der Kündigung anzuhören hat.

 

Normenkette

BetrVG § 102; BGB § 613a; AÜG § 14; KSchG §§ 1, 17-18

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Urteil vom 01.06.2005; Aktenzeichen 5 Ca 349/05)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom01.06.2005 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 24.03.2005 nicht aufgelöst worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnis auf Grund von zwei Kündigungen, zu deren Rechtfertigung sich die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe beruft.

Die Klägerin, am 12.10.1963 geboren, verheiratet, ein Kind, ist seit dem 01.02.1988 bei der Beklagten, einem Warenhausfilialunternehmen, als Verkäuferin, zuletzt in Teilzeit beschäftigt. Sie war eingesetzt in der Filiale E.-I.. In der Filiale, in der ca. 30 Arbeitnehmer tätig sind, ist ein Betriebsrat gebildet.

Am 17.08.2004 beschloss der Vorstand der Beklagten, Filialen mit einer Verkaufsfläche von weniger als 8.000 qm, darunter die Filiale E.-I., in das Format „Kompakt” umzugruppieren und auf eine neue Gesellschaft überzuleiten. Am 14.10.2004 kam für die Beklagte ein Sanierungstarifvertrag zustande. Am 13.12.2004 schlossen Beklagte und Gesamtbetriebsrat die Gesamtbetriebsvereinbarung „Überleitung der 77 kleinen Filialen auf die Firma „L. Kompakt GmbH” sowie einen Sozialplan.

Mit Schreiben vom 22.12.2004 informierte die Beklagte die Belegschaft des Warenhauses E.-I. über den Übergang des Betriebes auf die „L. Kompakt GmbH” zum 01.01.2005. Die Klägerin, die das Schreiben am 28.12.2004 erhielt, erhob am 19.01.2005 schriftlich Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die „L. Kompakt GmbH”. Nach ihrem Widerspruch wurde sie weiter auf ihrem Arbeitsplatz in der Filiale beschäftigt. Zuvor waren die Beklagte und die „L. Kompakt GmbH” in einer „Vereinbarung zur konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung vom 17.01.2004” überein gekommen,

„daß Mitarbeiter, die dem Betriebsübergang auf die L. Kompakt GmbH & Co KG widersprochen haben, im Rahmen einer konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung in der L. Kompakt GmbH & Co KG eingesetzt werden.

Dieser Einsatz erfolgt ausschließlich bei Mitarbeitern denen kein Arbeitsplatz in der L. Warenhaus AG angeboten werden kann und deren Arbeitsverhältnis aufgrund dessen beendet werden muß. Der Einsatz erfolgt bis zum Austrittstermin aus der L. Warenhaus AG bzw. bis auf Widerruf. Die Mitarbeiter werden grundsätzlich an ihrem bisherigen Arbeitsplatz zu gleichbleibenden Bedingungen eingesetzt.

Die entsprechenden Personalkosten werden der L. Kompakt GmbH & Co KG belastet.”

Mit Schreiben vom 24.01.2005, am 26.10.2005 vormittags am Arbeitsplatz ausgehändigt, unterrichtete die Beklagte die Klägerin von der vereinbarten konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung und wies sie darauf hin, dass sie verpflichtet sei, bei der „L. Kompakt GmbH” bis zum Ende der Kündigungsfrist zu arbeiten. Am Nachmittag des 26.10.2005 übergab der Geschäftsführer des Betriebs E.-I. der Klägerin das auf den 20.01.2005 datierte Schreiben, mit dem die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2005 erklärte.

Neben der Klägerin erhielten 10 weitere Arbeitnehmer der Filiale, die ebenfalls dem Übergang widersprochen hatten, die Kündigung. Eine Betriebsratsanhörung vor der Kündigung hatte nicht stattgefunden.

Am 03.03.2005 zeigte die Beklagte der Agentur für Arbeit die Massenentlassung an. Mit Bescheid vom 04.04.2004 entsprach die Agentur für Arbeit der Anzeige.

Nach Anhörung des Betriebsrats der Filiale E.-I. am 15.03.2005 sprach die Beklagte mit Schreiben vom 24.03.2005 eine weitere ordentliche Kündigung, und zwar zum 30.09.2005 aus.

Mit der vor dem Arbeitsgericht Duisburg erhobenen Kündigungsschutzklage ha...

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