Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagerücknahme gegenüber Betriebserwerber

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt der Arbeitnehmer nach seiner eigenen Einlassung eine gegen den Erwerber eines Betriebsteils erhobene Kündigungsschutzklage in Kenntnis eines möglicherweise noch bestehenden Widerspruchsrechts zurück, weil der Erwerber ihm eine Abfindung zusagt, so kann darin eine Bestätigungserklärung im Sinne des § 144 BGB (analog) hinsichtlich des Übergangs des Arbeitsverhältnisses gesehen werden mit der Folge, dass eine spätere Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

BGB § 613a analog, § 144 analog

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 13.02.2007; Aktenzeichen 5 Ca 1426/06 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.04.2010; Aktenzeichen 8 AZR 978/07)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Solingen vom13.02.2007 – 5 Ca 1426/06 lev – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 11.08.2006 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht sowie die Verurteilung der Beklagten, ihn als Sachbearbeiter zu beschäftigen. Hilfsweise begehrt der Kläger Schadensersatz. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.

Der Kläger war seit dem 07.09.1981 bei der Beklagten als Sachbearbeiter zu einem monatlichen Bruttogehalt von 3.403,00 EUR beschäftigt.

Der Kläger war schwerpunktmäßig im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.

Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.

Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen.

Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.

Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.

Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 65-68 der Akte Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 23.11.2004 kündigte die B. Photo GmbH das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen zum 31.03.2005 und bot ihm eine Abfindung an. Gegen diese Kündigung hat der Kläger beim Arbeitsgericht Solingen eine Kündigungsschutzklage erhoben.

Am 20.05.2005 stellte die B. Photo GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren.

Bereits nach der Antragstellung widersprach eine größere Anzahl von Mitarbeitern dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Erwerberin wegen fehlerhafter Unterrichtung.

Im Juli 2005 nahm der Kläger die gegen die B. Photo GmbH erhobene Kündigungsschutzklage zurück.

Am 01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit Schreiben vom 06.07.2006 (Bl. 6-9 der Akte) widersprach der Kläger wegen unvollständiger bzw. fehlerhafter Informationen im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. Photo GmbH und forderte die Beklagte auf, die „für die Zeit vom 07.09.1981 bis zum 31.03.2005 zugesagten Leistungen in Höhe von brutto 50.209,00 EUR brutto umgehend zu zahlen”.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe im Juli 2006 dem Betriebsübergang noch widersprechen können. Da sich herausgestellt habe, dass die Information...

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