Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Widerspruch. Klagerücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Arbeitnehmer die gegen den Erwerber eines Betriebsteils erhobene Kündigungsschutzklage in Kenntnis eines möglicherweise bestehenden Widerspruchsrechts zurück, so kann darin unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Bestätigung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber durch den Arbeitnehmer gesehen werden, der einen späteren Widerspruch gegen den Betriebsübergang ausschließt (§ 144 BGB analog). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Kläger nach seiner eigenen Einlassung die Kündigungsschutzklage deshalb zurückgenommen hat, weil er die Abfindung erhalten wollte.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 19.04.2007; Aktenzeichen 1 Ca 1434/06 lev)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.01.2010; Aktenzeichen 8 AZR 977/07)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 19.04.2007 – 1 Ca 1434/06 lev – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit ihrer am 14.08.2006 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht sowie die Verurteilung der Beklagten, sie als kaufmännische Angestellte zu beschäftigen. Hilfsweise begehrt die Klägerin Schadensersatz. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.

Die am 06.03.1957 geborene, ledige Klägerin war seit dem 01.08.1971 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte zu einem monatlichen Bruttogehalt von cirka 3.000,00 EUR beschäftigt.

Die Klägerin war schwerpunktmäßig im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.

Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab (Bl. 8-12 der Akte).

Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen.

Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.

Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.

Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch die Klägerin über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Dieses Schreiben ist nicht zur Akte gereicht worden und konnte auch im Kammertermin vom 10.10.2007 nicht vorgelegt werden.

Mit Schreiben vom 10.12.2004 kündigte die B. Photo GmbH das Arbeitsverhältnis der Klägerin aus betriebsbedingten Gründen zum 30.06.2005. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin eine Kündigungsschutzklage erhoben, die beim Arbeitsgericht Solingen unter dem Aktenzeichen 2 Ca 2773/04 lev anhängig war.

Am 20.05.2005 stellte die B. Photo GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren.

Ausweislich des Schriftsatzes der Klägerin vom 31.05.2005 im Verfahren 2 Ca 2773/04 lev, das im Einverständnis der Parteien im Berufungsverfahren beigezogen wurde, war der Klägerin der Insolvenzantrag der B. Photo GmbH zu diesem Zeitpunkt bekannt.

Ausweislich der beigezogenen Akte nahm die Klägerin die Kündigungsschutzklage mit Schriftsatz vom 18.07.2005 zurück. Nach den Angaben der Klägerin im Kammertermin vom 10.10.2007 hat die B. Photo GmbH ihr im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Kündigung schriftlich eine Abfindung zugesagt. Sie habe nach anwaltlicher Beratung zunächst von einem...

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