Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehrschichtiger Betrieb. Schichtzulage

 

Leitsatz (amtlich)

1) Schichtarbeit in einem mehrschichtigen Betrieb ist dann anzunehmen, wenn eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die wirkliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus erfüllt und daher von mehreren Arbeitnehmern in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge erbracht wird. Entscheidend ist dabei, dass eine übereinstimmende Arbeitsaufgabe von untereinander austauschbaren Arbeitnehmern erfüllt wird.

2) Ein mehrschichtiger Betrieb im Sinne von § 4 Nr. 4 b MTV Groß- und Außenhandel NRW liegt dann vor, wenn in einer Dauernachtschicht arbeitende Arbeitnehmer eingehende Waren in ein Zwischenlager verbringen, welche von in zwei Tagesschichten tätigen anderen Arbeitnehmern zur Kommissionierung und Auslieferung weiter transportiert werden.

 

Normenkette

MTV Groß- und Außenhandel NRW § 4

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 11.05.1999; Aktenzeichen 2 Ca 395/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.01.2001; Aktenzeichen 10 AZR 106/00)

 

Tenor

1) Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Essen vom 11.05.1999 – 2 Ca 395/99 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine tarifvertraglich abgesicherte Nachtschichtzulage in Höhe von 50 % zu gewähren hat.

Der am 01.07.1965 geborene Kläger ist seit dem 04.01.1988 bei der Beklagten, die Groß- und Einzelhändler beliefert, als Lagerarbeiter beschäftigt. Er arbeitet im sogenannten Trockensortimentbereich der Beklagten in einer Dauernachtschicht von 20.00 Uhr abends bis 04.15 Uhr morgens. Im Einzelnen besteht seine Aufgabe darin, die von der Warenannahme angenommene und bereits etikettierte Ware mit Hilfe eines Gabelstaplers in die sogenannte Reservezone einzulagern.

Die eingelagerten Waren werden alsdann von anderen Mitarbeitern der Beklagten, die in zwei Tagesschichten arbeiten, wiederum mit Hilfe der auch in der Nacht benutzten Gabelstapler, aus dem Bereich der Reservezone herausgeholt, später kommissioniert und zum Warenausgang gebracht.

Darüber hinaus sind im Bereich von Wareneingang und Warenannahme zwei weitere Mitarbeiter ab 04.15 Uhr tätig, die später eingehende Ware bearbeiten bzw. die Datenerfassung durchführen.

Die in der Nachtschicht eingesetzten Arbeitnehmer – wie zum Beispiel der Kläger – und die in den Tagesschichten arbeitenden Staplerfahrer sind in dieselbe Tarifgruppe des einschlägigen Tarifvertrages eingruppiert und erhalten entsprechende Vergütung.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unter anderem der allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 09.07.1997 (MTV) Anwendung. Der dortige § 4 Nr. 4 lautet:

  1. Nachtarbeit ist die Zeit zwischen 20.00 bis 6.00 Uhr bzw. Marktbeginn geleistete Arbeit. Für Nachtarbeit ist ein Nachtarbeitszuschlag von 50 % zu vergüten. Für die in Betrieben und Betriebsstätten branchen- (Obst und Gemüse, Blumen, Milch und Milchprodukte, Brot und Backwaren, Fleisch und Fleischerzeugnisse) oder berufsübliche Nachtarbeit (z.B. Nachtwächter) entfällt der Zuschlag, es sei denn, er wird betriebsüblich gewährt.
  2. In mehrschichtigen Betrieben oder Betriebsabteilungen ist für die Nachtarbeit ein Zuschlag von 15 % zu vergüten.

Der Kläger erhielt in der Vergangenheit für seine Tätigkeiten einen Nachtarbeitszuschlag von 15 %.

Nachdem er mit Schreiben vom 25.11.1998 erfolglos einen 50 %igen Zuschlag geltend gemacht hatte, hat er mit seiner am 29.01.1999 beim Arbeitsgericht Essen anhängig gemachten Klage sein Begehren weiterverfolgt und die Nachzahlung des erhöhten Zuschlags für die Monate August bis Oktober 1998 in der unstreitigen Höhe von insgesamt DM 2.962,22 brutto geltend gemacht.

Er hat die Auffassung vertreten, dass ihm aufgrund von § 4 Nr. 4 a MTV der normale Zuschlag von 50 % zustehe, weil er gerade nicht in einem mehrschichtigen Betrieb im Sinne des § 4 Nr. 4 b MTV arbeite. Es gebe keine Arbeitnehmer, die ihn an seinem Arbeitsplatz ablösten; seine Tätigkeit werde gerade nicht über einen erheblich längeren Zeitraum als seine wirkliche Arbeitszeit hinaus von anderen erfüllt. Auch fehle es insoweit an einem überschaubaren „Schichtplan”. Von einer Schichtarbeit im Sinne des § 4 Nr. 4 b MTV könne deshalb insgesamt nicht ausgegangen werden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm DM 2.962,22 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 11. Februar 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung des Klägers entgegengetreten und hat sich ihrerseits auf den Standpunkt gestellt, dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 4 b MTV erfüllt seien, weil von einer Mehrschichtigkeit ihres Betriebes auszugehen wäre.

Entscheidend sei nämlich, dass die zu verschiedenen Tageszeiten arbeitenden Arbeitnehmer untereinander austauschbar seien und dass d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge