Krank durch Schichtarbeit: Tipps für gesündere Schichtpläne

Schichtarbeit macht dumm - zu diesem Schluss kommt eine Studie von österreichischen Wissenschaftlern. Auch andere Untersuchungen zeigen alarmierende Effekte, die insbesondere Nachtschichten auf Körper und Psyche haben. Ein Überblick über Gründe und Gegenmaßnahmen.

Schichtarbeit kann die kognitive Fähigkeiten, insbesondere das Arbeitsgedächtnis und die Fähigkeit zur geistigen Verarbeitung, herabsetzen. So das Ergebnis einer Metaanalyse von Wissenschaftlern der Sigmund Freud Privatuni­versität Linz. Auch eine Einschränkung der Wachsamkeit, der visuellen Konzentration und der Fähigkeit, Impulse und situative Reaktionen zu kontrollieren, wurde in Zusammenhang mit Schichtarbeitenden festgestellt - was nach Einschätzung der Studienautoren das Risiko von Verletzungen und Fehlern am Arbeitsplatz erhöhen könnte.

Nachtschicht kann krank machen

Auch andere Studien zeigen, dass Beschäftigte, die in Schichten arbeiten, häufiger über gesundheitliche Beschwerden klagen als Beschäftigte mit regulären Arbeitszeiten. So kann die Arbeit in Schichten sich auf körperliche Prozesse wie etwa den Schlaf auswirken. Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeiter – besonders Nachtschichtarbeitende – leiden oft unter Schlafstörungen, schlafen schlechter oder zu wenig. Das kann Folgewirkungen haben und beispielsweise zu Konzentrationsschwäche, Nervosität und Magenbeschwerden führen.


Die Gründe dafür nennt Dr. Sabine Voermans, Leiterin Gesundheitsmanagement bei der Techniker Krankenkasse: "Schichtarbeit kann bedeuten, dass Beschäftigte gegen ihre innere Uhr arbeiten." Zwar könnten, so Voermanns, Beschäftigte beschließen, nachts aktiv zu werden und die innere Uhr zu ignorieren, der Körper bleibe aber weiterhin beim angeborenen 24-Stunden-Rhythmus. "Morgens werden pünktlich die "Aufstehhormone" ausgeschüttet, auch wenn wir von der Nachtschicht kommen und eigentlich schlafen wollen," erklärt die Gesundheitsexpertin. Ein Leistungstief nachts um drei Uhr könne nicht vermieden werden, "egal, ob wir im Bett liegen oder an der Maschine stehen." Wer nachts die gleiche Arbeitsleistung bringen will wie am Tag, müsse sich also durch die verminderte Leistungsbereitschaft seines Körpers mehr anstrengen – das koste zusätzliche Energie und könne auf Dauer auch die Gesundheit beeinträchtigen.

Tipps für die gesundheitsförderliche Gestaltung der Schichtarbeit

Allen Arbeitgebern sollte deshalb bewusst sein, erklärt die Techniker Krankenkasse, dass Schichtarbeit von vielfältigen Vorsorgemaßnahmen für die schichtarbeitenden Mitarbeiter begleitet werden muss. Wesentliche Aufgabe der Schichtplangestaltung im Unternehmen sei deshalb, die gewünschte Betriebszeit zu ermöglichen und gleichzeitig den Gesundheitsschutz und die individuellen Wünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen. Dafür gelte es, Arbeitsbedingungen und Belastungen entsprechend anzupassen und außerdem die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Voermanns: "Es gibt viele Stellschrauben, mit denen die Bedingungen von Schichtarbeit positiv beeinflusst werden können." Dazu nennt die TK die folgenden konkreten Tipps.

Gesunde Schichtarbeit: Dauernachtschichten vermeiden

Die Schädlichkeit von Dauernachtschicht ist unstrittig. Sie sollte als Vollzeittätigkeit unbedingt vermieden werden. Durch kurze Nachtschichtblöcke oder eingestreute vereinzelte Nachtschichten lassen sich die Folgen der Verschiebung von Tag- und Nachtrhythmus am besten reduzieren. Das Schichtsystem sollte vorwärts rotieren, also von der Früh- auf die Spätschicht wechseln und nicht umgekehrt. Der Vorwärtswechsel kommt dem biologischen Rhythmus besser entgegen und sollte insbesondere bei der Neueinführung von Schichtsystemen beachtet werden.

Arbeitswissenschaften empfehlen kurze Schichtwechsel. Das führt zu Schichtplanmodellen, in denen täglich gewechselt wird, zum Beispiel Früh-, Spät-, Nachtschicht, dann zwei Tage frei. Die Erfahrungen der Betroffenen mit solchen Modellen sind unterschiedlich, insbesondere langjährigen Schichtarbeitern erscheinen sie auf den ersten Blick ungewohnt– doch haben sie bei vielen Beschäftigten eine deutliche Besserung gesundheitlicher Beschwerden bewirkt. Durch die sehr kurzen Wechsel kommt der Körper besser mit der Nachtschicht klar. Die Folge: insgesamt verlängern sich die Schlafzeiten der schichtarbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nachteil des Systems ist die Unübersichtlichkeit durch die schnellen Wechsel. Einige Schichtarbeitende lehnen solche Modelle wegen ihrer schlechten Vereinbarkeit mit den Familienzeiten ab. Unternehmen sind daher gut beraten, unterschiedliche Schichtmodelle zur Auswahl zu stellen. So werden Arbeitgeber am ehesten den persönlichen Gesundheitsinteressen der Beschäftigten gerecht.              

So dämmen Sie das Unfallrisiko bei Nachtschichten ein

Schichtarbeitende Unternehmen müssen besonders auf Sicherheit und Gesundheit im Unternehmen achten. Dazu gehört, Unfällen vor allem bei Nachtarbeit vorzubeugen und die Nachtarbeit auf das Notwendigste zu beschränken. Die Arbeitspsychologin Beate Beermann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigt, dass in der Spätschicht ein um 17 Prozent höheres Unfallrisiko gegenüber der Frühschicht besteht. In der Nachtschicht ist das Unfallrisiko sogar um 30 Prozent höher als am Tag, vor allem zwischen zwei und vier Uhr.

Dort, wo Nachtarbeit zwingend notwendig ist, sollten Arbeitsabläufe optimal gestaltet sein, um Unfallrisiken zu vermeiden. Der Betrieb sollte nach Möglichkeit zwischen zwei und vier Uhr keine aufmerksamkeitsintensiven oder fehlerkritischen Tätigkeiten vorsehen. Darüber hinaus sollte er Arbeitsbelastungen durch Gefahrstoffe, Lärm oder besonderen Arbeitsdruck reduzieren. Branchenübergreifende Studien weisen übereinstimmend darauf hin, dass das Unfallrisiko nach der siebten bis neunten Arbeitsstunde stark zunimmt. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass das Fehler- und das Unfallrisiko nach zwei bis drei Nachtschichten hintereinander ansteigen. Führungskräfte sollten in regelmäßigen Abständen diese Themen mit ihrem Team besprechen, auch außerhalb regulärer Belehrungen.

Ältere Beschäftigte in Schichtarbeit brauchen besondere Maßnahmen

In den nächsten zehn bis 15 Jahren wird es einen dramatischen Rückgang der erwerbstätigen jungen Bevölkerung geben. Das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen steigt. Für die Schicht-und Nachtarbeit in Betrieben bedeutet das: Arbeitgeber müssen sich damit auseinandersetzen, wie Arbeitsplätze so gestaltet werden, dass auch Schichtarbeitende über 50 dort ohne Schwierigkeiten arbeiten können.Bei älteren Beschäftigten lässt die Regenerationsfähigkeit nach – die Schichtwechsel fallen schwerer.

Ein- und Durchschlafprobleme können stärker auftreten. Extreme Bedingungen am Arbeitsplatz belasten ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker. Dazu gehören zum Beispiel extreme Hitze oder Kälte, schwere körperliche Tätigkeiten oder Aufgaben, die hohe Ansprüche an das Seh- und Hörvermögen stellen. Körperliche Arbeit fällt älteren Beschäftigten nicht nur subjektiv schwerer, sie ist es auch objektiv. Mit ergonomischen Maßnahmen lassen sich hier relativ leicht Verbesserungen erzielen.

Schichtpläne familienfreundlich gestalten - Überblick

Jeder Schichtplan hat Vor- und Nachteile – doch jeder Schichtplan lässt sich optimieren. Arbeitswissenschaftler empfehlen, Schichtarbeit kompatibel für Familienleben und Freizeit zu gestalten. Zum Beispiel mit folgenden Maßnahmen:

Verlässlichkeit des Schichtplanes
Die Schichtfolge in festen Systemen sollte einfach und die Abfolge leicht zu behalten sein. Die Planbarkeit der individuellen Freizeit ist gerade für Schichtarbeitende wichtig, denn jede Änderung eines Schichtplans erfordert zusätzliche Anpassungsleistungen von allen Beteiligten. Ein Schichtplan, der sich nachträglich verändert, macht es schwer, Termine zu planen, etwa Arzttermine oder Elternabende. Nicht immer lassen sich kurzfristige Änderungen bei der Schichteinteilung vermeiden. Für diese Fälle sollten vorab Regeln für den Umgang mit solchen Situationen vereinbart werden. Auch bei der Einteilung von Zusatzschichten oder Freischichten hilft es, wenn zum Beispiel 50 Prozent der zu vergebenen Schichten vom Arbeitgeber eingeteilt werden und 50 Prozent von den Beschäftigten selbst.

Freie Abende bei Schichtplangestaltung mit einplanen
Die späten Nachmittage und die Abende haben eine höhere soziale Qualität, da in dieser Zeit die besten Möglichkeiten bestehen, soziale Kontakte zu pflegen. Freie Nachmittage und Abende sollten möglichst häufig und in nicht zu großen Abständen eingeplant sein. In jeder Arbeitswoche sollten es mindestens zwei freie Abende geben.

Zusammenhängende Freizeitblöcke trotz Nachtschicht 
In ihren Freizeitblöcken können sich Schichtbeschäftigte am normalen Tagesrhythmus von Familie und sozialem Umfeld orientieren. Ebenso besteht die Möglichkeit, größere Vorhaben oder Aktivitäten in längeren Freizeitblöcken zu verwirklichen. Auch lange Wochenenden wirken sozialer Isolation entgegen und steigern die Lebensqualität. Die Wochenenden spielen bei der Freizeitgestaltung eine wichtige Rolle – vor allem Samstags und Sonntags finden alle Familienmitglieder zusammen und auch Freunde haben besonders dann Zeit.

Überstunden durch Freizeit ausgleichen
Ausgeruhte Beschäftigte bleiben eher gesund und sind leistungsfähiger. Überstunden und zusätzlich gearbeitete Tage sollten daher so weit wie möglich durch freie Tage ausgeglichen werden. Auch der Ausgleich für Mehrbelastung durch Nachtarbeit sollte vor allem durch Freizeit erfolgen. Zuschläge und Freizeit müssen sich aber nicht grundsätzlich ausschließen. Auf betrieblicher Ebene können gute Regelungen getroffen werden, die die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden berücksichtigen

Weitere Tipps finden Sie in der TK-Veröffentlichung "Schicht für Schicht gesund" – Eine Handlungshilfe für Unternehmen und Führungskräfte.


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