Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Frühruhestandsvertrag mit dem Betriebsveräußerer. Unterrichtung und Widerspruch über einen Betriebsübergang. Verwirkung des Widerspruchsrechts nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 6 BGB unterliegt dem Rechtsinstitut der Verwirkung.

2. Ein Anspruch verwirkt, wenn der Berechtigte erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums den Anspruch erhebt (Zeitmoment) und dadurch beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, er werde nicht mehr in Anspruch genommen (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 5-6

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Urteil vom 03.03.2006; Aktenzeichen 2 Ca 1998/05 lev)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 03.03.2006 –2 Ca 1998/05 lev – wird zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass zwischen den Parteien ein Frühruhestandsvertragsverhältnis besteht.

II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit ihrer am 30.09.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Frühruhestandsvertragsverhältnis besteht und macht sich daraus ergebende Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.

Die am 18.02.1950 geborene Klägerin war seit dem 15.10.1969 bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von zuletzt durchschnittlich 3.220,00 EUR beschäftigt. Die Klägerin war im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern von der Beklagten zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.

Mit Schreiben vom 19.12.2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsplatz aufgrund einer umfassenden Restrukturierung entfalle und kündigte das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2005 (Bl. 18 der Akte).

Mit Schreiben vom 14.02.2004 wies die Beklagte die Klägerin nochmals darauf hin, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen am 28.02.2005 enden wird. Nach dem Hinweis „In diesem Zusammenhang halten wir folgendes fest:” folgte unter Punkt 2. die Zusage einer Abfindung in Höhe von 90.094,57 EUR brutto, die sich für die Zeit vom 01.03.2005 bis zum 28.02.2010 aus einer monatlichen Leistung in Höhe von 1.434,00 EUR brutto sowie einer Einmalzahlung am 31.03.2005 von 4.054,57 EUR brutto zusammensetzte. Es folgten sodann weitere Zahlungszusagen, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl.19-21 der Akte Bezug genommen wird. Das Schreiben endete mit der Bitte, auf der beigefügten Zweitschrift zu bestätigen, dass sie – die Klägerin – den Inhalt des Schreibens zur Kenntnis genommen habe.

Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.

Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. Photo GmbH übertragen.

Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. Photo GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. Photo GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. Photo GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.

Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.

Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch die Klägerin über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs...

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