Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligungsbefugnis einzelner Betriebsratsmitglieder am arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Kein Vorrang eines Webinars vor einem Präsenzseminar für Schulungen von Betriebsratsmitgliedern. Ermessensentscheidung des Betriebsrats zu Schulungsveranstaltungen für einzelne Mitglieder

 

Leitsatz (amtlich)

Regelt ein Tarifvertrag im Geltungsbereich von § 117 BetrVG die arbeitgeberseitige Kostentragung für die Schulung von Mitgliedern einer Personalvertretung inhaltsgleich zu § 37 Abs. 6 BetrVG, darf sich die Personalvertretung in Ausübung ihres Ermessens regelmäßig für die Teilnahme eines zu schulenden Mitglieds an einem auswärtigen Präsenzseminar und gegen die Teilnahme an einem Webinar gleicher Dauer und gleichen Schulungsstoffs entscheiden. Die Annahme, ein Präsenzseminar verschaffe dem Teilnehmer einen größeren Lernerfolg, der die zusätzlich anfallenden Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten rechtfertige, ist jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu beanstanden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Beteiligter in einem Beschlussverfahren ist, wer von der zu erwartenden Entscheidung in einem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar betroffen wird. Die einzelnen Mitglieder des Betriebsrats, die an einer Schulung teilnehmen, können zwar aus abgeleitetem Recht beteiligungsbefugt sein, aber nur so lange, wie sie Inhaber eines Freistellungs- oder Auslagenerstattungsanspruchs sind.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6, 2, § 117 Abs. 2; ArbGG § 83 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.11.2021; Aktenzeichen 10 BV 126/21)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 17.11.2021 - Az.: 10 BV 126/21 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Schulungskosten.

Bei der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) handelt es sich um eine Luftverkehrsgesellschaft. Die Antragstellerin ist die im Betrieb der Arbeitgeberin auf der Grundlage des § 117 Abs. 2 BetrVG iVm. dem Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 für die Beschäftigten des Kabinenpersonals der Euro x. GmbH vom 20.08.2019 (im Folgenden: TV PV) gewählte Personalvertretung (im Folgenden: Personalvertretung). Die Herren L. und T., die früheren Beteiligten zu 3. und 4. rückten im Sommer 2021 als ordentliche Mitglieder der Personalvertretung nach, nachdem sie zuvor als Ersatzmitglieder fungierten.

§ 1 Abs. 3 TV PV bestimmt:

"Sofern durch diesen Tarifvertrag nichts anderes bestimmt wird, findet für das Kabinenpersonal der Euro x. und dessen Personalvertretung das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung."

Nähere Regelungen zu Schulungsveranstaltungen der Personalvertretung sieht der TV PV nicht vor.

Die Personalvertretung beabsichtigte zunächst, Herrn L. und Herrn T. zu dem Seminar "Betriebsverfassungsrecht Teil 1" des Schulungsanbieters X.., Institut für C. AG (im Folgenden: X.) in der Zeit vom 24.08.2021 bis zum 27.08.2021 in Binz/Rügen zu entsenden. Die Arbeitgeberin teilte mit E-Mail vom 28.06.2021 mit, dass die Teilnahme grundsätzlich in Ordnung sei, aus Kostengründen aber ein Seminar in der Nähe - zB Velbert, Bad Honnef oder Köln- oder - sogar im gewählten Zeitraum - ein Webinar ausgesucht werden solle. Daraufhin teilte die Personalvertretung mit E-Mail vom 09.07.2021 mit, dass sie sich nunmehr für ein Seminar in Potsdam entschieden hätte. Hierbei schätzte sie eine Kostenersparnis im Vergleich zum Seminar in Binz von ca. 500,00 €.

Die von der Arbeitgeberin angesprochenen Präsenzseminare fanden vom 16.08.2021 bis zum 19.08.2021 in Velbert, vom 23.08.2021 bis zum 26.08.2021 in Bad Honnef und vom 27.09.2021 bis zum 30.09.2021 in Köln statt. Für alle Seminare waren am 09.07.2021 noch zwei Teilnehmerplätze buchbar. In Düsseldorf bot die Firma X. in den Monaten Juli bis September 2021 kein Seminar "Betriebsverfassungsrecht Teil 1" an. Präsenzseminare und Webinare zu diesem Thema verursachen gleich hohe Seminargebühren. Herr T. befand sich vom 01.08.2021 bis jedenfalls zum 21.08.2021 in Erholungsurlaub. Herr L. absolvierte in seiner Funktion als Trainer am 16./17.08.2021 einen Trainingseinsatz. Die Teilnahme von Mitgliedern der Personalvertretung an Schulungsseminaren wurde in der Vergangenheit zwischen den Beteiligten einvernehmlich so gehandhabt, dass auf eine Vereinbarkeit mit dienstlichen Interessen Rücksicht genommen wurde. Herr L. wohnt in der W. Straße 25-27 in L., Herr T. im M. Weg 51 in R..

Herr L. und Herr T. nahmen an dem streitgegenständlichen Seminar in Potsdam teil. Die Anreise erfolgte durch Nutzung eines Fluges der Arbeitgeberin nach Berlin und der Weiterfahrt per Taxi nach Potsdam. Mit Rechnung vom 08.09.2021 stellte die X. der Personalvertretung die Seminargebühren i.H.v. 1.528,00 € zzgl. 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung (Bl. 83 der Akte). Dabei wurde ein Rabatt wegen Doppelbuchung in Höhe von 62,00 € netto berücksichtigt. Mi...

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