Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortbestand Betriebsrat. Umstrukturierung. Übergangsmandat

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Erfordernis, wonach es für den Beschluss, die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BetrVG durchzuführen, der absoluten Stimmenmehrheit aller Arbeitnehmer des Unternehmens bedarf, hat in § 3 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nach Auffassung der Kammer keinen Ausdruck gefunden.

 

Normenkette

BetrVG § 21a

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 12.06.2008; Aktenzeichen 6 BV 58/08)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.06.2008 – 6 BV 58/08 – abgeändert:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 1) zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten darüber, welcher von zwei Betriebsräten nach einer Umstrukturierung fortbesteht.

Der Antragsteller ist der neunköpfige Betriebsrat eines Betriebes in S.. Dieser Betrieb mit rund 260 wahlberechtigten Arbeitnehmern gehörte bis zum 31.03.2008 zur T. Systems Integration AG (T. SI AG). Dieses Unternehmen wurde auf der Grundlage eines Verschmelzungsvertrages auf die Beteiligte zu 2) übertragen, die ihrerseits über einen Standort in S. mit rund 340 wahlberechtigten Arbeitnehmern verfügt. Beide Betriebe, die räumlich vier Kilometer voneinander entfernt liegen, waren bis zum 31.03.2008 bereits eng miteinander verbunden. Die personelle Leitung erfolgte für den Betrieb der T. SI AG in der Vergangenheit durch den dortigen Personalleiter T., der alle Standorte der T. SI AG in Mitbestimmungsfragen betreute. Mit der Verschmelzung wird die Leitung, wie für den zweiten Standort in S. auch, durch die Zentrale in X. ausgeübt.

Die Beteiligte zu 2) verfügt über einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat, nämlich den Beteiligten zu 3), der aus 23 Mitgliedern besteht. Dieser Betriebsrat wurde am 08.12.2006 gewählt. Der Wahl ging eine Abstimmung der Belegschaft voraus zur Frage, ob ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt werden soll. Diese Abstimmung ergab eine deutliche Mehrheit der abgegebenen Stimmen für einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat. Es stimmte jedoch nicht mehr als die Hälfte der wahlberechtigten Belegschaft dafür.

Mit seinem zunächst beim Arbeitsgericht Mannheim anhängig gemachten Begehren, das sich durch Beschluss vom 24.04.2008 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Düsseldorf verwiesen hat, verlangt der Antragsteller zuletzt die Feststellung, dass er am Standort S. der Beteiligten zu 2) ein Übergangsmandat i. S. des § 21 a BetrVG habe.

Der Antragsteller hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Wahl zum unternehmenseinheitlichen Betriebsrat bei der Beteiligten zu 2) sei nichtig gewesen. Deshalb könne nur er als wirksam konstituierter Betriebsrat das Mandat für die Belegschaft in S. in Form eines Übergangsmandats gemäß § 21 a BetrVG wahrnehmen.

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, dass er am Standort S. der Beteiligten zu 2) ein Übergangsmandat im Sinne des § 21 a BetrVG hat.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, selbst dann, wenn die Voraussetzungen für die Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nicht vorgelegen hätten, wäre dieser Fehler nicht so wesentlich und offensichtlich gewesen, dass er zur Nichtigkeit der Wahl des Beteiligten zu 3) hätte führen können.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 12.06.2008 dem Antrag des Antragstellers stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die von § 21 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG als Voraussetzung für die Entstehung eines Übergangsmandates geforderte Zusammenfassung mehrerer Betriebe oder Betriebsteile zu einem Betrieb sei durch die Integration des Standortes der T. SI AG in den Betrieb der Beteiligten zu 2) erfolgt. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) sei die Entstehung eines Übergangsmandates zu Gunsten des Antragstellers nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Eingliederung in den eigenen Standort erfolgt sei, der mit dem Beteiligten zu 3) bereits über einen Betriebsrat verfügt habe. Zwar sei von einer Eingliederung auszugehen. Jedoch verfüge der aufnehmende Standort in S. nicht über einen wirksam errichteten Betriebsrat. Denn die Voraussetzungen für die Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gemäß § 3 Abs. 3 BetrVG sei nicht erfüllt gewesen. Die Arbeitnehmer hätten die Errichtung eines solchen Betriebsrats mit „Stimmenmehrheit”, d. h. mit der Stimmenmehrheit aller Arbeitnehmer des Unternehmens, beschließen müssen. Diese sei jedoch nicht erreicht worden. Dieser Mangel führe, da er offensichtlich sei, zur Nichtigkeit der Wahl. Der Entstehung eines Übergangsmandates zu Gunsten des Antragstellers gemäß § 21 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 21 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 BetrVG stehe nicht entgegen, dass § 21 a BetrVG dahingehend reduzierend auszulegen sei, dass im Fall de...

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