Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wahlanfechtungsbefugnis des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats bezüglich einer Betriebsratswahl in einem Betrieb. Abschließende Aufzählung der Anfechtungsberechtigten in § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Keine analoge Anwendung des § 18 Abs. 3 BetrVG für eine Anfechtungsberechtigung. Unternehmenseinheitlicher Betriebsrat und Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Keine Nichtigkeit der Betriebsratswahl bei Strukturveränderungen mit Auswirkungen auf den unternehmenseinheitlichen Betriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein auf der Grundlage von § 3 Absatz 3 BetrVG gebildeter unternehmenseinheitlicher Betriebsrat ist nicht berechtigt, eine Betriebsratswahl in einem zu diesem Unternehmen gehörenden Betrieb anzufechten.

2. § 19 Absatz 2 Satz 1 BetrVG zählt den Kreis der Anfechtungsberechtigten abschließend auf.

3. Eine Anfechtungsberechtigung kann auch nicht aus einer analogen Anwendung von § 18 Absatz 2 BetrVG hergeleitet werden.

4. Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat kann nur die Nichtigkeit der Betriebsratswahl geltend machen.

5. Es kann dahinstehen, ob eine Abstimmung nach § 3 Absatz 3 BetrVG nur für die nächste Betriebsratswahl gilt, ob sie bis zu einer zum gegenteiligen Ergebnis führenden Abstimmung ("actus contrarius") gilt oder nur so lange fort gilt, bis sich an den betrieblichen Strukturen etwas ändert. Soweit der Betriebsrat am Standort Wiesbaden die Rechtsauffassung vertritt, die Struktur des Betriebs habe sich gegenüber der zur Zeit der Abstimmung bestehenden Struktur geändert, weshalb die Abstimmung nach § 3 Absatz 3 BetrVG ihre Wirkung verloren habe, vertritt er einen nachvollziehbaren Rechtsstandpunkt, der jedenfalls keinen zur Nichtigkeit der Wahl führenden offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften beinhaltet.

 

Normenkette

BetrVG § 19 Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 3, § 14 Abs. 4, § 18 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Beschluss vom 08.11.2018; Aktenzeichen 10 BV 1/18)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 8. November 2018 – 10 BV 1/18 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am Standort A des Arbeitgebers am 28. Februar 2018 durchgeführten Betriebsratswahl.

Der Arbeitgeber (Beteiligte zu 4) ist ein Automobilzulieferer und unterhält verschiedene Standorte in Deutschland. Im Jahr 2002 wurde im Unternehmen des Arbeitgebers auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 BetrVG ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat (Antragsteller) gebildet. Dieser hat mit einem am 14. März 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz die Wahl des Betriebsrats am Standort A (Beteiligter zu 3) angefochten. Ursprünglicher Beteiligter zu 2 war der Wahlvorstand zur Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats im Unternehmen des Arbeitgebers.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 209-211 der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 211-211R der Akte) verwiesen.

Dieser Beschluss wurde am 31. Januar 2019 an den Verfahrensbevollmächtigten des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats zugestellt, der dagegen am 14. Februar 2019 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 6. Mai 2019 am 2. Mai 2019 begründet hat.

Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat ist der Auffassung, die vom Arbeitsgericht zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts befasse sich nicht mit der Anfechtungsbefugnis des Betriebsrats. Im Übrigen würde eine fehlende Anfechtungsbefugnis nicht zur Unzulässigkeit, sondern zur Unbegründetheit des Anfechtungsantrags führen (Bundesarbeitsgericht 14. Februar 1978 -1 ABR 46/77). Das Arbeitsgericht hätte die Anfechtungsbefugnis aus § 19 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 18 Abs. 2 BetrVG ableiten müssen. Es habe verkannt, dass es sich um eine konkurrierende Betriebsratswahl handelte. § 18 Abs. 2 BetrVG zeige, dass es dem Betriebsrat zustehe, die Frage des Betriebsbegriffs gerichtlich überprüfen zu lassen. Dann müsse er auch anfechtungsberechtigt sein. Eine abweichende Wahl wäre nichtig, was der Betriebsrat geltend machen könne. Die Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts führe dazu, dass der unternehmenseinheitliche Betriebsrat sich nicht effektiv gegen konkurrierende Betriebsratswahlen zur Wehr setzen könne. Das Arbeitsgericht habe darüber hinaus verkannt, dass die streitgegenständliche Betriebsratswahl in A nichtig sei. Es habe den Begriff der Rechtskraft im einstweiligen Verfügungsverfahren verkannt. Mit dem Betriebsbegriff habe es sich überhaupt nicht auseinandergesetzt. Bei der Nichtbeachtung der Abstimmung nach § 3 Abs. 3 BetrVG handele es sich um einen massiven Gesetzesverstoß. Dies auch deshalb, weil die Wahl außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums erfolgt sei. Bei der ...

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