Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 01.02.1993; Aktenzeichen 92 Ca 27177/92)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.10.1994; Aktenzeichen 7 AZR 703/93)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 01.02.1993 – Aktenzeichen 92 Ca 27177/92 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die – automatische – Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin bei der Beklagten aufgrund Erreichens des Rentenalters.

Die am … 1932 geborene Klägerin ist bei der beklagten Universität seit dem 15. Januar 1974 als technische Assistentin beschäftigt. Auf das Vertragsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung. Die Klägerin erhielt zuletzt Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1 a zum BAT-O.

Mit Schreiben vom 11. September 1992, was der Klägerin am 17. September 1992 zuging, teilte die Beklagte mit:

„Sehr geehrte Frau …,

am 04.10.1992 erreichen Sie das 60. Lebensjahr. Da gemäß Rentenübergangsgesetz das Rentenalter für Frauen bei 60 Jahren liegt, endet das Beschäftigungsverhältnis mit Erreichen der Altersgrenze.

Das Arbeitsverhältnis endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, für Sie mit Ablauf des 31.10.1992.”

Hintergrund des Schreibens der Beklagten vom 11. September 1992 war § 60 BAT-O, dessen hier interessierenden Regelungen lauten:

„Abs. 1:

Das Arbeitsverhältnis endet, ohne daß es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem der Angestellte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat.”

„Übergangsvorschrift:

Solange eine Regelaltersgrenze (Rentenalter) unter 65 Jahren gilt, ist diese maßgebend.”

Mit ihrer am 8. Oktober 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 1992 gewandt.

Von der Darstellung des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 31 f d.A.) gemäß § 543 ZPO abgesehen.

Durch Urteil vom 1. Februar 1993 hat das Arbeitsgericht festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31. Oktober 1992 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (Bl. 30–38 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 7. April 1993 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. Mai 1993 Berufung eingelegt, die sie am 4. Juni 1993 begründet hat.

Die Beklagte tritt dem angefochtenen Urteil im wesentlichen mit Rechtsausführungen entgegen und vertritt die Auffassung:

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei am 31. Oktober 1992 beendet worden, da diese am 4. Oktober 1992 das 60. Lebensjahr vollendet und damit die Regelaltersgrenze nach Maßgabe des Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 2 des Renten-Überleitungsgesetzes erreicht habe. Auf diese Regelaltersgrenze verweise die Übergangsvorschrift zu § 60 BAT-O. Die tarifliche Übergangsregelung sei auch wirksam. Sie verstoße weder gegen Art. 3 Abs. 2 GG noch gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom S. Februar 1976 (Richtlinie 76/207). Im übrigen folge die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin am 31. Oktober 1992 schon aus der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2 Satz 7 zum Einigungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis – jedenfalls – mit Erreichen des Rentenalters ende. Diese Regelung des Einigungsvertrages sei aufgrund der besonderen Verhältnisse im Beitrittsgebiet sachlich gerechtfertigt, da die Einrichtungen der ehemaligen DDR auf dem Gebiete der öffentlichen Verwaltung personell stark überbesetzt gewesen seien und durch das Ausscheiden älterer Arbeitnehmer, welche Altersruhegeld beanspruchen können, aus dem Arbeitsverhältnis dringend benötigte Arbeitsplätze für jüngere Arbeitnehmer freigemacht werden sollten oder zur Entlastung der Haushalte überflüssige Arbeitsplätze abgebaut werden sollten.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Februar 1993 – 92 Ca 27177/92 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung:

Die Übergangsregelung zu § 60 BAT-O verstoße gegen höherrangiges Recht und sei damit unwirksam. Die Regelaltersgrenze für Frauen von 60 Jahren in der ehemaligen DDR sei außerdem bis zum 31. Dezember 1991 befristet gewesen, und zwar aufgrund der Regelung in der Anlage 2 Kapitel VIII Sachgebiet F Abschn. III Nr. 6 zum Einigungsvertrag, so daß ab 1. Januar 1992 das 60. Lebensjahr nicht mehr als Rentenalter für Frauen im Sinne der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2 Satz 7 zum Einigungsvertrag anzusehen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 3. Juni 1993, 22. Juni 1993, 13. Juli 1993 und 22. Juli 1993 Bezug genommen.

 

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