Revision nicht zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mangelnde Eignung eines früheren Parteisekretärs der SED für die Tätigkeit als Lehrer im öffentlichen Dienst

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einer Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung nach der Sonderrregelung für den öffentlichen Dienst in der Anlage I zum Einigungsvertrag kommt weitgehend dieselbe Funktion wie der sonst vor einer Einstellung zu treffenden Eignungsbeurteilung zu, die damit gleichsam nachgeholt wird. Ob dem Arbeitgeber dabei auch ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt, bleibt offen.

2. Aus dem beruflichen Werdegang eines kraft Einigungsvertrags übernommenen Arbeitnehmers und der von ihm früher im politischen System der DDR ausgeübten Funktion können ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungstreue abgeleitet werden, die ihn als persönlich ungeeignet für seine vertraglich geschuldete Tätigkeit im öffentlichen Dienst erscheinen lassen. Dies jedenfalls dann, wenn dem jetzigen Dienstherrn wegen einer aufgrund § 4 Abs. 1 VO zur Arbeit mit Personalunterlagen vom 22.02.1990 (GBl. I S. 84) vorgenommenen Aktenbereinigung keine weiteren Erkenntnisgrundlagen für die Eignungsbeurteilung zur Verfügung stehen.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 22.01.1992; Aktenzeichen 84 A Ca 17474/91)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.12.1993; Aktenzeichen 8 AZR 629/92)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Januar 1992 – 84 A Ca 17474/91 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 9. März 1940 geborene Kläger war vom 1. August 1965 bis 31. Mai 1970 als Lehrer an einer Polytechnischen Oberschule in … tätig. Im Anschluß daran war er dort bis zum 31. August 1974 Mitarbeiter für Kultur in der SED-Kreisleitung, um sodann als Aspirant an die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der SED delegiert zu werden, wo der Kläger auch promoviert wurde. Vom 1. August 1978 an war der Kläger als hauptamtlicher Parteisekretär an der … zu Berlin und ab 1. Mai 1982 in derselben Funktion an der … tätig. Ab dem 1. März 1990 wurde er wieder als Lehrer für Musikerziehung und Geschichte an einer Oberschule in Berlin- … beschäftigt.

Mit am 28. Juni 1991 zugegangenem Schreiben vom 17. Juni 1991 kündigte der Beklagte dem Kläger zum 15. August 1991 mit der Begründung, er habe seine persönliche Eignung für eine erfolgreiche Lehrertätigkeit im Prozeß der Umgestaltung nicht nachweisen können.

Die hiergegen gerichtete Klage, mit welcher der Kläger zugleich seine vorläufige Weiterbeschäftigung erstrebt, hat das Arbeitsgericht Berlin abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 6. Mai 1992 zugestellte Urteil richtet sich die am 4. Juni 1992 eingelegte und am 1. Juli 1992 begründete Berufung des Klägers. Er hält die Kündigungsregelungen des Einigungsvertrages bereits für verfassungswidrig und beanstandet, daß das angefochtene Urteil alles vermieden habe, was zu einer Einzelfallprüfung gehöre. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen treffe die Beweislast für eine fehlende

Eignung den Beklagten. Zumindest müsse ihm in einer Art Umkehr der Beweislast Gelegenheit gegeben werden nachzuweisen, daß entgegen dem ersten Anschein Zweifel an seiner politischen Treue nicht gerechtfertigt seien. Er habe wie viele andere Funktionsträger im Vertrauen auf die in der Propaganda eine dominierende Rolle spielenden guten Seiten des Sozialismus und seiner Ziele versucht, das Beste aus der damaligen Situation zu machen. Auch an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften sei kritisches Denken im Gegensatz zum von der Parteiführung der SED gewollten Dogmatismus gefördert worden. So habe er sich in seinen Forschungen ernsthaft mit der katholischen Soziallehre befaßt, deren Kernstück das Subsidiaritätsprinzip sei, dessen Sinn Eingang in die von der freiheitlichen Demokratie getragene Gesellschaft finden solle. Er sei als Parteisekretär stets bemüht gewesen, im Rahmen seiner demokratischen Grundeinstellung und entgegen den dogmatischen Herrschaftsambitionen des der Parteiführung hörigen Rektors ein positives Wirken der Parteiorganisation in der … zu gewährleisten. Als man sich im Herbst 1988 mit der neuen Kulturpolitik der Sowjetunion habe befassen wollen, habe die Parteiorganisation für ihre Mitgliederversammlung Hausverbot durch den Rektor erhalten. Dieser habe ihm sogar die „facultas docendi” verwehrt und ihn mit fadenscheinigen Gründen zeitweilig als Lehrbeauftragter gefeuert. Die wenigen echten Kämpfer für Demokratie und Recht hätten die Wende nicht zustande bringen können, wäre nicht das Wende-Potential bei hunderttausenden Mitgliedern und auch Funktionären der SED vorhanden gewesen. Seine eigene schmerzliche und ernüchternde Erfahrung mit dem „realen Sozialismus”, dessen negative Seiten einschließlich der in dessen Namen begangene Verbrechen er bis in die letzte Zeit der DDR nicht für möglich gehalten habe, führten ihn umso fester in die Bejahung der freitheitlich-demokra...

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