Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebsbedingte Kündigung. unterlassene Vollmachtsvorlage

 

Leitsatz (amtlich)

Die unternehmerische Entscheidung, bisher im eigenen Betrieb erbrachte Aufgaben von einem anderen Unternehmen der eigenen Unternehmensgruppe ausführen zu lassen, kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn deshalb das Bedürfnis an der weiteren Beschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers vollständig entfällt.

 

Normenkette

BGB § 174; KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 08.01.2008; Aktenzeichen 49 Ca 12055/07)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 08.01.2008 – 49 Ca 12055/07 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher Kündigungen der Beklagten sowie die Weiterbeschäftigung des Klägers für die Dauer des vorliegenden Rechtsstreites.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 14.10.2004 bis zum 13.04.2005 aufgrund eines befristeten „Beratungsvertrages” als Sales Representative tätig (Bl. 143 ff. d. A.), bevor er von der Beklagten mit Arbeitsvertrag vom 24.08.2005 mit Wirkung ab dem 01.06.2005 als Sales Representative eingestellt wurde (Bl. 11 ff. d. A.). Der Kläger ist am 13.10.1971 geboren worden, er ist ledig und hat keine Unterhaltsverpflichtungen. Die Beklagte, eine 100%ige Tochtergesellschaft der V. Inc. ist ein Unternehmen mit 22 Arbeitnehmern, die in Berlin, München und Wiesbaden eingesetzt werden und bietet digitale Infrastruktursysteme an. Sie hilft Unternehmen bei der Bereitstellung neu entstehender Dienste wie Mobil-Banking, Voice-Over-Internet-Protokoll und Video über Breitbandverbindungen und ermöglicht damit die Interaktion über weltweite Sprach- und Datennetze. Darüber hinaus bietet sie mehrschichtige Sicherheitslösungen zum Schutz von Kunden, Marken, Websites und Netzwerke von Organisationen an.

Mit einem von Herrn V. B. unterzeichneten Schreiben der Beklagten vom 06.07.2007 (Bl. 16 f. d. A.), welches dem Kläger am 06.07.2007 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2007. Mit der Beklagten am selben Tage zugegangenem Schreiben vom 12.07.2007 (Bl. 18 d. A.) ließ der Kläger die Kündigung gemäß § 174 BGB mangels Vollmachtsvorlage zurückweisen. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut mit Schreiben vom 16.07.2007, dem Kläger am 17.07.2007 zugegangen, zum 15.09.2007 (Bl. 19 f. d. A.).

Mit der am 20.07.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Wirksamkeit beider ausgesprochenen Kündigungen. Er hat vorgetragen, bereits seit dem 14.10.2004 bei der Beklagten regelmäßig als Arbeitnehmer tätig gewesen zu sein. Er sei als Callcenter-Agent mit festem Arbeitsplatz bei der Beklagten unter deren Berliner Adresse tätig gewesen. Er habe u.a. auch sog. Enterprise-Kunden der Beklagten, die Sammelzertifikate erwerben, betreut. Nach wie vor verkaufe die Beklagte vom Berliner Standort aus auch gegenwärtig noch Einzel- und Sammelzertifikate an weltweit ansässige Kunden. Die Beklagte habe auch bei der Kündigung keine ordnungsgemäße Sozialauswahl getroffen, denn sie habe die mit ihm vergleichbaren und sozial weniger schutzwürdigen Sales Representatives R., H., S. und Be. weiterbeschäftigt. Ferner sei er mit in München eingesetzten Arbeitnehmern der Beklagten vergleichbar.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Kündigung vom 06.07.2007 noch die Kündigung vom 16.07.2007 aufgelöst worden ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger vorläufig bis zum Abschluss des Rechtsstreits auf der Grundlage seines Anstellungsvertrages vom 24.08.2005 als „Sales Representative” weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger sei bis zum 14.04.2005 bei der Beklagten als freier Mitarbeiter tätig gewesen, bevor er mit der Beklagten zum 01.06.2005 ein Arbeitsverhältnis begründet habe. In dessen Rahmen sei er als Innenverkaufsrepräsentant im Verkauf von SSL-Produkten für den Einzelhandel, verantwortlich für den (Tele-)Verkauf von SSL-Produkten an bestehende und potentielle Einzelhandelskunden zuständig gewesen. Er sei am Berliner Standort der einzige Mitarbeiter gewesen, der ausschließlich mit dem Verkauf von SSL-Einzelzertifikaten beschäftigt gewesen wie. Herr B., der die Kündigung vom 06.07.2007 unterzeichnet habe, sei zu diesem Zeitpunkt „Senior Manager Human Resources E.” gewesen und bei der V. Sw. S.A. angestellt und für die Personalangelegenheiten aller V. Gesellschaften in E. zuständig gewesen. Als solcher sei er dem Kläger vor Abschluss seines Arbeitsvertrages bei der Beklagten vorgestellt worden. Das habe der Kläger ferner auch daran erkennen können, dass Herr B. den Arbeitsvertrag vom 24.08.2005 unterzeichnet habe und weiteren Schriftwechsel hierzu mit dem Kläger geführt habe. Der Geschäftsführer der Beklagten habe am 04.07.2007 in Reaktion auf e...

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