Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzulage für Anlagen-Monteur. Wirksamer Ausschluss einer Gruppe von Betriebsangehörigen aus Sonderzulage. Betriebsverfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot bei Differenzierung bei Beschäftigten zur Gewährung einer Sonderzulage. Erfüllung von Planwerten als sachlicher Grund für Differenzierung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Maßstab für eine gleichheitswidrige Gruppenbildung ist der mit der Regelung verfolgte Zweck. Dieser muss sich an den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen orientieren, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird.

2. Der Ausschluss einzelner Betriebsangehöriger im Hinblick auf die Gewährung einer Sonderzahlung aufgrund der Festlegung der Erfüllung von Planwerten ist nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

BetrVG § 59 Abs. 1, § 75 Abs. 1; GewO § 108 Abs. 1; ZPO § 81 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.11.2022; Aktenzeichen 17 Ca 7464/22)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. November 2022 - 17 Ca 7464/22 - abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Sonderzahlung.

Die Beklagte beschäftigt die Klägerin seit dem 1. September 1998, aktuell als Anlagen-Monteurin im Betrieb in Berlin (im Folgenden: Beschäftigungsbetrieb).

Das beklagte Unternehmen gehört zu einem deutschlandweit tätigen Konzern. Der Beschäftigungsbetrieb bildet im Konzern den Bereich "Electronic Systems", während dem anderen Bereich "Selling" eine Reihe von Betrieben zugeordnet ist, von denen ein Teil zur Beklagten gehört. Für den Konzern ist ein Konzernbetriebsrat gebildet.

Unter dem 10. Januar 2022 schloss der Konzernbetriebsrat mit der Beklagten und anderen konzernangehörigen Unternehmen eine Konzernbetriebsvereinbarung (im Folgenden: KBV Sonderzahlung) über eine "Freiwillige Sonderzahlung 2021" (in Kopie Bl. 8 f. d. A.). Danach zahlt das Unternehmen mit der Entgeltabrechnung für Januar 2022 "eine freiwillige Sonderzahlung für das Jahr 2021 in Höhe von € 600,- brutto an alle Mitarbeiter".

Nach Ziffer 1 gilt die Vereinbarung räumlich für die Betriebe der Beklagten und weiterer konzernangehöriger Unternehmen mit Ausnahme allein des Beschäftigungsbetriebs.

Bei Ziffer 5 sind Ausschlussgründe geregelt. Danach erhalten Mitarbeiter, die nach dem 30. September 2021 ins Unternehmen eingetreten sind, keine Sonderzahlung. Mitarbeiter, die im Geschäftsjahr 2021 ganz oder teilweise kein Arbeitsentgelt erhalten haben, erhalten keine bzw. eine anteilig gekürzte Sonderzahlung. Mitarbeiter, die zum 31. Dezember 2021 in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehen, erhalten von Ausnahmen abgesehen keine Sonderzahlung.

In Januar 2022 richtete die Beklagte ein Schreiben zur Sonderzahlung 2021 an den begünstigten Teil der Beschäftigten. Wegen dessen Inhalt wird auf die Anlage K2 zum klägerseitigen Schriftsatz vom 11. November 2022 (Bl. 49 der Akte) verwiesen.

Mit Schreiben vom 13. April 2022 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der Sonderzahlung bis spätestens zum 30. April 2022 auf.

Mit der am 10. August 2022 zugestellten Klage hat sie diese Forderung weiterverfolgt und durch am 16. November 2022 zugestellten Schriftsatz die Klage auf die Erteilung einer Abrechnung bei Zahlung erweitert. Sie hat die Auffassung vertreten, der Zahlungsanspruch stehe ihr auf der Grundlage der KBV Sonderzahlung zu. Der Ausschluss allein des Beschäftigungsbetriebes von deren räumlicher Geltung verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit, wie sie nach der einschlägigen Vorschrift im Betriebsverfassungsgesetz zu beachten seien. Der Zweck der Sonderzahlung, wie er sich auch aus dem Begleitschreiben ergäbe, sei die Honorierung der erbrachten Arbeitsleistung und der Betriebstreue. Die Klägerin und die übrigen Beschäftigten des Beschäftigungsbetriebes hätten in 2021 durchgängig Einsatz unter den besonderen Bedingungen der Pandemie gezeigt und erfolgreich zum Konzernergebnis beigetragen. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die übrigen Unternehmen im Geltungsbereich der KBV Sonderzahlung den jeweiligen Planwert erreicht hätten. Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht (unter Berichtigung eines Schreibversehens hinsichtlich des Geschlechts der Klägerin) beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.05.2022 zu zahlen;

2. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin bei jeder auf die Klageforderung von 600,00 EUR brutto Sonderzahlung 2001 erfolgenden Zahlung eine Abrechnung zu erteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmergruppen des Bereichs "Selling" und des Bereichs "Electronic Systems" sei sachlich gerechtfertigt. Die...

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