Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung betreffend die Einführung eines Vergütungssystems und die Übernahme künftiger Tariferhöhungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Vereinbaren die Betriebsparteien in einer Betriebsvereinbarung die konkrete Vergütungshöhe, so kann dies zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 3 BetrVG führen.

2. Bei einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung, nach der zukünftige Tariferhöhungen mit Wirkung des neuen Tarifabschlusses zu einer entsprechenden Erhöhung des Garantiegehalts führen, handelt es sich um eine Regelung zur Höhe der Entgelte, die nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, und somit von der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG erfasst wird.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 3, § 87; BGB § 140; BetrVG § 87 Abs. 3 S. 1, Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 20.10.2016; Aktenzeichen 4 Ca 17735/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.01.2019; Aktenzeichen 1 AZR 250/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. Oktober 2016 - 4 Ca 17735/15 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 644,72 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2015 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 30 % und die Beklagte 70 % zu tragen.

III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen; für die Klägerin wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Gehaltserhöhung sowie über die Zahlung von Weihnachtsgeld.

Die am .... 1989 geborene Klägerin ist seit dem 15. November 2006 bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund eines mündlich geschlossenen Arbeitsvertrages war die Klägerin zunächst als Schüler-Aushilfe beschäftigt und ab Oktober 2008 als studentische Aushilfe.

Bis zum 31. März 2008 war die Beklagte Mitglied im Handelsverband des Hamburger Einzelhandels e. V.

Die Beklagte hatte mit Wirkung zum 1. März 1997 mit dem Betriebsrat des Berliner Betriebes eine "G.-Hamburg Betriebsvereinbarung" (im Folgenden: BV 1997) abgeschlossen, die mit Wirkung zum 1. April 2011 durch eine Vereinbarung vom 16. Juni 2011 hinsichtlich der §§ 7, 15 und 18 geändert wurde.

Die Präambel der BV 1997 hat folgenden Wortlaut:

"Ziel der Konzeption einer Betriebsvereinbarung war die Schaffung eines Gehalts- und Arbeitszeitsystems, das für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar, einsehbar und leistungsgerecht ist.

Ferner sollen die gesetzlichen Ladenschlusszeiten des Einzelhandels in gerechte Rahmenbedingungen gefügt werden.

Als Grundlagen wurden größtenteils bestehende Vereinbarungen genommen. Der Tarif berücksichtigt die Mindestforderungen des Einzelhandelstarifes in Hamburg soweit nicht andere Vereinbarungen getroffen werden und diese einen individuellen Leistungsausgleich berücksichtigen (Arbeitsvertrag). Eine Überarbeitung findet mindestens zum Zeitpunkt gültiger Verhandlungen des Einzelhandels statt.

Die nachstehenden Paragraphen ergänzen die Regelungen des Arbeitsrechtes und gelten als Bestandteil des Arbeitsvertrages (Individualvereinbarung).

Jedem G. wird eine Ausfertigung der Vereinbarung bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag übergeben.

Die Bezeichnung des Arbeitnehmers als "G." ist dem gleichzusetzen."

Die Betriebsvereinbarung enthält Regelungen für folgende Bereiche:

"§ 1 Geltungsbereich

§ 2 Arbeitsvertrag

§ 3 Arbeitszeit und Pausen

§ 4 Mehrarbeit

§ 5 Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

§ 6 Ausbildungswesen

§ 7 Urlaub

§ 8 Urlaubs- und Weihnachtsgeld

§ 9 Freistellung von der Arbeit aus besonders begründetem Anlaß

§ 10 Sonderzuwendungen und Sozialleistungen

§ 11 Personalkauf

§ 12 Erstattung von Fahrkosten

§ 13 Vermögenswirksame Leistungen

§ 14 Direktversicherung

§ 15 Gehaltstarif

§ 16 Vergütungen für Auszubildende

§ 17 Vergütungen für Aushilfen"

§ 8 der BV 1997 lautet unter der Überschrift "Urlaubs- und Weihnachtsgeld" wie folgt:

"G. zahlt in jedem Beschäftigungsjahr ein Urlaubsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 31. Mai eines jeden Jahres. Teilzeitkräfte erhalten ein anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld im Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit.

G. zahlt in jedem Beschäftigungsjahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 % des Gehaltes. Zahlungstermin ist spätestens der 30. November eines jeden Jahres. Im Einstellungsjahr und im austrittsjahr erhält der G. anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld, d. h. soviel Zwölftel, wie der G. im Kalenderjahr tätig war. Bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer zuviel gezahltes Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld zurückzuzahlen."

§ 15 der BV 1997 enthält unter der Überschrift "Gehaltstarif" Regelungen zur Mindesthöhe des Gehaltes, zur Gehaltserhöhungen sowie Bestimmungen zu den Gehaltsgruppen G0 bis G4.

Die Regelung zu "Gehaltserhöhungen" lautet wie folgt:

"Zukünftige Tariferhöhungen führen mit Wirkung des neuen Tarifabschluss...

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