Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsanspruch bei Gewährung eines unbezahlten tariflichen Sonderurlaubs im öffentlichen Dienst. Unbegründete Feststellungsklage einer Angestellten bei unterlassener Urlaubsnahme im jeweiligen Urlaubsjahr

 

Leitsatz (amtlich)

I. Die Gewährung eines vom Arbeitnehmer beantragten unbezahlten Sonderurlaubs gemäß § 28 TV-L stellt keinen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund dar, der die Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr iSd. § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG rechtfertigt. Das Unionsrecht erfordert keinen weitergehenden Übertragungstatbestand.

II. In dem Fall, in dem dem Arbeitnehmer auf seinen Antrag hin unbezahlter Sonderurlaub gewährt wird, ergibt sich auch weder aus dem BUrlG noch aus Art. 7 Abs. 1 EGRL 88/2003 noch aus Art. 31. Abs. 2 GRC eine Verpflichtung des Arbeitgebers, von sich aus einseitig und für den Arbeitnehmer verbindlich die zeitliche Lage des Urlaubs innerhalb des Bezugszeitraums festzulegen, oder eine Verpflichtung des Arbeitgebers, von sich aus den Arbeitnehmer aufzufordern, Erholungsurlaub zu beantragen, um einen ersatzlosen Verfall des gesetzlichen Anspruchs auf Erholungsurlaub zu verhindern.

 

Normenkette

BUrlG § 7; TV-L § 28; BUrlG § 7 Abs. 3 S. 2; ZPO § 256 Abs. 1; EG-RL 88/2003 Art. 7 Abs. 1 Fassung: 2003-11-04; GRCh Art. 31. Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 16.11.2016; Aktenzeichen 60 Ca 6930/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.03.2019; Aktenzeichen 9 AZR 406/17)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. November 2016 - 60 Ca 6930/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus dem Jahr 2014 noch 15 Urlaubstage und aus dem Jahr 2015 noch 20 Urlaubstage als Urlaub/Ersatzurlaub zustehen.

Die Klägerin wurde auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19. August 1988 (Anlage K1, Bl. 6 der Akte) von dem Land Berlin vom 1. August 1988 an als vollbeschäftigte Angestellte im Bereich des St. L. Berlin eingestellt. Nach den Bestimmungen des Arbeitsvertrages waren für das Arbeitsverhältnis ua. maßgebend der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen. Das Arbeitsverhältnis ging auf die Beklagte, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, über. Die Beklagte wendet den TV-L auf das Arbeitsverhältnis an. Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe 9 eingruppiert und der Stufe 5+ (individuelle Endstufe) zugeordnet.

Die Parteien schlossen eine bis zum 31. Juli 2014 befristete Teilzeitvereinbarung, wonach die Arbeitszeit der Klägerin reduziert wurde und die Klägerin an drei Tagen pro Woche arbeitete.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten im Jahr 2013 gemäß § 28 TV-L für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 31. März 2015 Sonderurlaub. Mit Schreiben vom 11. Juni 2013 (Anlage K2a, Bl. 7 der Akte) gewährte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2014 bis zum 31. März 2015 "Sonderurlaub unter Verzicht auf Fortzahlung des Entgeltes gem. § 28 TV-L aus familiären Gründen". - Wegen des konkreten Wortlauts des Schreibens wird auf Bl. 7 der Akte Bezug genommen.

Die Klägerin wurde vor dem 1. April 2014 im Jahr 2014 von der Beklagten für fünf Urlaubstage (Arbeitstage) aus dem Jahr 2014 von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts zu Erholungszwecken freigestellt. Die Klägerin hatte vor dem 1. April 2014 nicht die Gewährung eines weitergehenden Erholungsurlaubs von der Beklagten verlangt. Die Beklagte hatte der Klägerin im Jahr 2014 keinen weiteren Erholungsurlaub für das Jahr 2014 gewährt, sie hatte die Klägerin auch nicht aufgefordert, weiteren Erholungsurlaub für das Jahr 2014 zu nehmen.

Mit Schreiben vom 4. August 2014 (Anlage B1, Bl. 30 der Akte) beantragte die Klägerin befristet für die Zeit vom 1. April 2015 bis 31. Januar 2016 die Verlängerung von Sonderurlaub nach § 28 TV-L aus familienbedingen Gründen. Die Beklagte führte darauf in dem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 5. September 2014 (Anlage K2b, Bl. 8 der Akte) ua. aus: "Ihnen wurde für die Zeit vom 01.04.2014 bis 31.03.2015 Sonderurlaub unter Verzicht auf Fortzahlung des Entgeltes gem. § 28 TV-L aus familienbedingten Gründen gewährt. Gemäß Ihrem Antrag vom 04.08.2014 wird der Sonderurlaub über den 31.03.2015 hinaus bis zum 31.01.2016 verlängert...."

In der Zeit vom 1. April 2014 bis einschließlich 31. Januar 2016 befand sich die Klägerin in dem von der Beklagten gewährten Sonderurlaub unter Wegfall der Bezüge. Die Klägerin hatte im Jahr 2015 nicht die Gewährung von Erholungsurlaub von der Beklagten verlangt. Die Beklagte hatte die Klägerin im Jahr 2015 nicht aufgefordert, Erholungsurlaub zu nehmen.

Die Klägerin nahm am 1. Februar 2016 ihre Arbeitstätigkeit bei der Beklagten wieder auf. Seit dem 1. Februar 2016 arbeitet die Klägerin auf der Grundlage einer ab diesem Datum geltenden neuen Vereinbarung über Teilzeittätigkeit a...

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