Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Widerspruchsfrist gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses bei einem Betriebsübergang auf eine noch nicht im Handelsregister eingetragene GmbH

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soll ein Betrieb im Wege eines Betriebsübergangs auf eine neu gegründete GmbH übertragen werden und ist die GmbH entgegen der Darstellung im Unterrichtungsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB zum Zeitpunkt der Unterrichtung noch nicht im Handelsregister eingetragen, ist die Unterrichtung über die Betriebserwerberin fehlerhaft und unklar mit der Folge, dass die Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen beginnt.

2. Die fehlerhafte Unterrichtung wird durch die nachträgliche Eintragung der GmbH im Handelsregister nicht automatisch geheilt. Es bedarf vielmehr einer ausdrücklichen Korrektur bzw. der nachträglichen Information, dass die GmbH entgegen der Darstellung im Unterrichtungsschreiben nunmehr tatsächlich im Handelsregister eingetragen ist.

3. Einzelfallentscheidung zur Verwirkung und zur rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts.

4. Eine vorläufige Weiterbeschäftigung ist nicht schon deshalb unmöglich iSd. § 275 Abs. 1 BGB oder unzumutbar iSd. § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB, weil sämtliche Arbeitsplätze besetzt sind.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 5-6, §§ 242, 275 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 15.02.2018; Aktenzeichen 4 Ca 630/17)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 15. Februar 2018 - 4 Ca 630/17 - wird zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird der Tenor bezüglich der Verpflichtung der Beklagten zu 2) zur vorläufigen Weiterbeschäftigung der Klägerin wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als kaufmännische Mitarbeiterin mit Tätigkeiten der Gehaltsgruppe A 4 des zwischen dem Verband Verkehr und Logistik Berlin und Brandenburg e.V. und der ver.di - Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft geschlossenen Gehaltstarifvertrages Brandenburg vom 23. April 2018 im Umfang von 40 Stunden wöchentlich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits mit der Beklagten zu 2), längstens bis zum 30. September 2018 weiterzubeschäftigen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte zu 2), einem Unternehmen des "H. Konzerns", streiten darüber, ob zwischen ihnen aufgrund des Widerspruchs der Klägerin gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 1) weiterhin ein Arbeitsverhältnis besteht. Außerdem nimmt die Klägerin die Beklagte zu 2) auf vorläufige Weiterbeschäftigung in Anspruch.

Die Klägerin war bei der Beklagten zu 2) bzw. deren Rechtsvorgängerin, der H. AG, seit dem 27. Mai 1991 zuletzt auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20. Juli 2004 als kaufmännische Mitarbeiterin gegen eine monatliche Vergütung nach Gehaltsgruppe A 4 Stufe 3 des zwischen dem Verband Verkehr und Logistik Berlin und Brandenburg e.V. und der ver.di - Vereinigte Dienstleistungsgesellschaft geschlossenen Gehaltstarifvertrages Brandenburg (im Folgenden: GTV Logistik Brandenburg) zuzüglich einer nicht anrechenbaren außertariflichen Zulage beschäftigt und im Bereich "Point of Sale Services (POSS)" als Kundenbetreuerin im Innendienst tätig. Wegen des weiteren Inhalts des zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrages vom 20. Juli 2004 wird auf dessen Ablichtung (Bl. 12 d.A.) verwiesen.

In einer Mitarbeiterinformation vom 14. September 2010 teilte die Beklagte zu 2) den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ua. mit, es sei beabsichtigt, den Bereich "POSS" sowie den dazugehörigen Vertrieb als eigenständigen Betriebsteil zu etablieren und dafür aus dem gemeinsamen Betrieb mit der H. PBS AG und der S. C. GmbH herauszulösen. Mittelfristig sei beabsichtigt, den neuen Betrieb "e. POSS" gemäß § 613a BGB in eine eigene Gesellschaft zu überführen. In einer weiteren Mitarbeiterinformation vom 10. Januar 2011 teilte sie den Beschäftigten des ehemaligen Bereichs "POSS" ua. mit, sie habe die angekündigte Betriebsabspaltung zum 1. Januar 2011 umgesetzt. Der neue Betrieb "POSS" umfasse die "POSS Außendienstregionen", den "POSS Innendienst", den "POSS Vertrieb" und die "POSS Personalleitung". Schließlich teilte die H. PBS AG den konzernangehörenden Beschäftigten in einer Mitarbeiterinformation vom 25. Januar 2011 ua. mit, es sei beabsichtigt, den abgespalteten Betrieb "e. POSS" im Zuge einer Unternehmensabspaltung nach dem Umwandlungsgesetz auf eine neue Gesellschaft zu übertragen, und geplant, die beabsichtigte Unternehmensabspaltung mit anschließendem Betriebsübergang bis spätestens zum 1. Mai 2011 umzusetzen. Wegen des weiteren Inhalts der Mitarbeiterinformationen vom 14. September 2010, 10. Januar 2011 und 25. Januar 2011 wird auf deren Ablichtungen (Bl. 92, 91 und 93 d.A.) verwiesen.

Laut Handelsregisterauszug vom 29. Januar 2018 (Bl. 207 d.A.) wurde die Beklagte zu 1) durch Gesellsch...

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