Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstunden. Darlegungslast. Ausgleichsquittung. AGB-Kontrolle

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Inhaltskontrolle vorformulierter Ausgleichsquittungen

1. Der anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber vorformulierte und vom Arbeitnehmer erklärte Verzicht auf alle bestehenden Ansprüche unterliegt als Hauptleistungsvereinbarung nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn er erkennbar selbständig und isoliert von einer Empfangsbestätigung unterzeichnet und nicht mit anderen Regelungen verbunden wird.

2. Ein solcher Verzicht verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn er nicht ausreichend klar erkennen lässt, welche Ansprüche erfasst sein sollen.

3. Allein die bisherige Üblichkeit von Ausgleichsquittungen anlässlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen macht diese nicht zu „Besonderheiten des Arbeitsrechts” im Sinne von § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 305 Abs. 1, 3; ZPO §§ 138, 130

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 17.01.2007; Aktenzeichen 43 Ca 17751/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.01.2007 – 43 Ca 17751/06 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Überstundenvergütung.

Die Klägerin stand bei der Beklagten vom 30. August 2004 bis zum 31. August 2006 in einem Arbeitsverhältnis als Fleisch- und Wurstverkäuferin bei einem Verdienst von 850,– EUR brutto monatlich. § 3 (Arbeitszeit) des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages lautet:

„Die regelmäßige Arbeitszeit richtet sich nach der betriebsüblichen Zeit. Sie beträgt zur Zeit 140 Stunden im Monat, ohne Berücksichtigung von Pausen. Die Firma ist berechtigt, aus dringenden betrieblichen Erfordernissen eine Änderung der Arbeitszeiteinteilung vorzunehmen. Überstunden kann der Arbeitnehmer nach Absprache mit der Firma durch Freizeit ausgleichen.”

Im Betrieb der Beklagten wird in zwei Schichten gearbeitet, die erste Schicht läuft von 6.30 Uhr bis 13.30 Uhr, die zweite Schicht von 13.30 Uhr bis 20.30 Uhr, jeweils einschließlich einer halbstündigen Pause. Die Einteilung der Mitarbeiter erfolgt durch die Geschäftsführerin der Beklagten im Rahmen von Dienstplänen, wobei die Mitarbeiter untereinander eine Änderung dieser Einteilung absprechen können. Im Dienstplan für die Woche vom 21. bis zum 26. August 2006 war die Klägerin mit insgesamt 39 Wochenstunden eingeteilt.

Am 26. August 2006 legte die Geschäftsführerin der Beklagten der Klägerin eine formularmäßig abgefasste Erklärung vor, die im oberen Teil mit „Empfangsbestätigung” überschrieben war, dort die Bestätigung der Beendigung zum 31. August 2006 sowie den Empfang von Arbeitspapieren vorsah und vom Arbeitnehmer mit Ort und Datum zu unterschreiben war. Die für die Klägerin maßgeblichen Daten waren handschriftlich eingetragen, die Bescheinigung wurde von der Klägerin unterschrieben. Im unteren Teil dieses Formulars unmittelbar unter der Unterschriftenleiste der „Empfangsbestätigung” ist unter der Überschrift „Ausgleichsquittung/Verzichtserklärung” folgendes vorgedruckt:

„Ich bestätige ferner, dass ich

  1. gegen die Kündigung vom … keine Einwendungen habe;
  2. auf mein Recht, das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, verzichte und eine bereits eingereichte Klage nicht weiter verfolge;
  3. auf bereits bestehende Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verzichte;
  4. diese Bescheinigung sorgfältig durchgelesen und davon eine Ausfertigung erhalten habe.”

Es folgt eine weitere Unterschriftenleiste, die zur Unterzeichnung durch den Arbeitnehmer mit Ort und Datum vorgesehen war. Unter a) waren die Worte „die Kündigung” handschriftlich durchgestrichen und durch die Worte „die Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses” ersetzt sowie der Zeitraum „30.08.2004 – 31.08.2006” handschriftlich anstelle des Kündigungsdatums eingetragen. Wegen des genauen Wortlauts dieser Erklärung wird auf Blatt 34 der Akte Bezug genommen.

Mit ihrer am 25. September 2006 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 4. Oktober 2006 zugestellten Klage verlangt die Klägerin restliche Vergütung in Höhe von 3.475,08 € brutto mit der Begründung, sie habe in der Zeit von Februar 2005 bis August 2006 insgesamt 572,5 Stunden mehr als vertraglich vorgesehen gearbeitet. Sie hat hierfür handschriftliche Aufzeichnungen über die an den einzelnen Kalendertagen erbrachten Arbeitszeiten vorgelegt und vorgetragen, diese Arbeitszeiten hätten auf den von der Geschäftsführerin der Beklagten aufgestellten Dienstplänen beruht. Sie hat bestritten, den unteren Teil der am 26. August 2006 vorgelegten Erklärung unterschrieben zu haben und behauptet, lediglich den mit „Empfangsbestätigung” überschriebenen oberen Teil unterzeichnet zu haben. Sie hat weiter behauptet, sie habe sich von dieser Erklärung, nachdem sie den oberen Teil unterschrieben gehabt habe, eine Kopie gefertigt. Sie hat sodann erstinstan...

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