Entscheidungsstichwort (Thema)

Empfangsbestätigung. Ausgleichsquittung. Aufhebungsvertrag. Erlassvertrag. Verzicht. allgemeine Geschäftsbedingungen. unangemessene Benachteiligung. im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten

 

Leitsatz (amtlich)

Eine untergeschobene formularmäßig verwandte Ausgleichsquittung, die eine unentgeltliche Verzichtserklärung des Arbeitnehmers ohne kompensatorische Gegenleistung des Arbeitgebers beinhaltet, stellt eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB neue Fassung dar. Sie ist unwirksam.

Der Unzulässigkeit einer derartigen Vereinbarung stehen keine im Arbeitsrecht geltenden rechtlichen Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB entgegen.

 

Normenkette

EFZG § 3 Abs. 1, 4; BGB §§ 305, 307 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 3, 4 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 15.10.2002; Aktenzeichen 3 Ca 2226/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Lübeck vom 15.10.2002 – 3 Ca 2226/02 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin auf Entgeltfortzahlungsansprüche durch Unterzeichnung einer „Empfangsbestätigung” sowie einer „Ausgleichsquittung” verzichtet hat.

Die Klägerin war seit dem 13.02.2002 bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war befristet bis zum 13.08.2002. Vom 22.05.2002 bis zum 07.06.2002 war sie arbeitsunfähig krankgeschrieben. Mit Schreiben vom 23.05.2002 sprach die Beklagte die fristgemäße Kündigung aus. Die maßgebliche Kündigungsfrist betrug zwei Wochen. Die Beklagte gab gegenüber dem sozialmedizinischen Dienst die fristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 07.06.2002 an (Bl. 20 d.A.)

Sie bat die Klägerin darum, einen Termin zur Abholung der Arbeitspapiere zu vereinbaren. Am 13.06.2002 holte die Klägerin ihre Arbeitspapiere ab. Dabei wurden ihr zwei vorgedruckte, handschriftlich ausgefüllte Schreiben, ein Formular „1. Empfangsbestätigung” sowie ein Formular „2. Einverständnis mit der Kündigung („Ausgleichsquittung”)” zur Unterschrift vorgelegt. In der „Empfangsbestätigung” hatte die Beklagte unter anderem als Austrittsdatum „23.05.2002” eingetragen. Das ist das Datum der Kündigung. Ferner heißt es dort:

„Mein Arbeitsverhältnis mit der Firma M. R. H. GmbH ist mit dem 23.05.2002 beendet.” (Bl. 29 d. A.).

Der Text des zweiten Schreibens, der „Ausgleichsquittung” lautet wie folgt: (Bl. 24.d. A.)

„2. Einverständnis mit der Kündigung („Ausgleichsquittung”)

Ich erkläre, dass ich

Lohn-/Gehaltsanspruch für die Zeit vom bis beim

gegen die Kündigung vom keine Einwendungen erhebe

die von mir bereits erhobene Klage auf Unwirksamkeit der Kündigung zurücknehme

X keine Forderungen – ganz gleich aus welchem Rechtsgrunde – auch evtl. Lohnfortzahlungsansprüche oder Rechte aus einem vertraglichen Wettbewerbsverbot habe, und alle meine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten sind. Der zustehende Jahresurlaub wurde gewährt.

Ort, Datum

Unterschrift des Arbeitnehmers”

Auf Fragen der Klägerin erklärte ihr die Beklagte, dass sie für die Zeit ihrer Krankheit Krankengeld von der Krankenkasse erhalten werde. Die Klägerin unterzeichnete die „Empfangsbestätigung” und die „Ausgleichsquittung”.

Die Krankenkasse verweigerte unter Hinweis auf das bis zum 07.06.2002 bestehende Arbeitsverhältnis jegliche Zahlung. Der Entgeltfortzahlungsanspruch beläuft sich unstreitig auf 832,86 EUR brutto. Diesen Betrag begehrt die Klägerin. Die Beklagte beruft sich auf das in der „Empfangsbestätigung” angegebene Beendigungsdatum „23.05.2002” sowie die unterzeichnete Ausgleichsquittung.

Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, das Arbeitsverhältnis habe nicht am 23.05.2002, sondern fristgemäß mit Ablauf des 07.06.2002 geendet, da die „Empfangsbestätigung” keine eigenständige, das Vertragsverhältnis vorzeitig beendende Willenserklärung der Klägerin darstelle. Auf den Entgeltfortzahlungsanspruch habe sie auch nicht durch die unterzeichnete Ausgleichsquittung verzichtet. Abgesehen davon sei diese formularmäßig gestaltete Erklärung gemäß § 307 Abs. 1 BGB n. F. unwirksam, da sie eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin darstelle. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 15.10.2002 verwiesen.

Hiergegen hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei durch ihre Unterschrift unter die „Empfangsbestätigung” einvernehmlich am 13.06.2002 rückwirkend zum 23.05.2002 aufgehoben worden. Am 13.06.2002 sei das Arbeitsverhältnis bis zum 23.05.2002 ordnungsgemäß abgerechnet worden. Auf weitergehende Ansprüche habe die Klägerin sowohl durch Unterzeichnung der Empfangsbestätigung, als auch durch Unterzeichnung der Ausgleichsquittung verzichtet. Die „Ausgleichsquittung” sei wirksam. Es handele sich um keine allgemeine Geschäftsbedingung. Es liege auch keine unangemessene...

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