Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines als Krankentransportfahrer eingesetzten Rettungsassistenten bei der Berliner Feuerwehr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der bei der Berliner F. nicht auch für den Brandschutz sondern ausschließlich als Krankentransportfahrer eingesetzte Rettungsassistent ist kein feuerwehrtechnischer Angestellter im Sinne von § 47 TV-L (in der für das Land Berlin maßgeblichen Fassung), so dass für ihn nicht anstatt der §§ 6 bis 9 und 19 TV-L die entsprechenden Bestimmungen für die Landesbeamten gelten. Bei ständiger Wechsel- oder Schichtarbeit beläuft sich daher gem. § 6 Abs. 1 lit. b) aa) TV-L die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für ihn auf 38,5 und nicht auf 44 Stunden.

2. Unterliegt der Arbeitnehmer während der gesamten Arbeitsschicht ständiger Alarmbereitschaft für Rettungseinsätze, und überwiegen darin die Zeiten ohne Arbeitsleistung regelmäßig nicht die Zeiten tatsächlicher Fahrereinsätze sowie sonstiger Vollarbeiten, liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 1 TV-L Bereitschaftszeit im Tarifsinne nicht vor. Daher kommt § 9 Abs. 1 Satz 2 lit. a) TV-L, wonach Bereitschaftszeiten (nur) zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert) werden, nicht zur Anwendung.

3. Der Arbeitgeber kann im Hinblick auf die ständige und durchgehende Alarmbereitschaft die Faktorisierung und damit eine Ausdehnung der geschuldeten Arbeits- bzw. Anwesenheitszeit nicht dadurch herbeiführen, dass er die Arbeitszeit des Arbeitnehmers in als solche bezeichnete Bereitschaftszeit mit darin enthaltenen Rettungseinsätzen einerseits und in Zeiten sonstiger Vollarbeit andererseits aufspaltet. Dies ist mit den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB und dem sich aus § 162 BGB (Treuwidrige Verhinderung oder Herbeiführung des Bedingungseintritts) folgenden Rechtsgedanken nicht vereinbar.

 

Normenkette

ArbGG § 64 Abs. 6; ZPO § 264; BGB § 611 Abs. 1; TV-L § 8 Abs. 1 Buchst. a, § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 27.08.2014; Aktenzeichen 60 Ca 727/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.09.2018; Aktenzeichen 6 AZR 204/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27.08.2014 - 60 Ca 727/14 - abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.404,26 € brutto sowie weitere 6.121,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.02.2017 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger im Umfang von 285,70 Stunden Freizeitausgleich zu gewähren.

II. Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger zu 17,53 % und trägt der Beklagte zu 82,47 %.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der im öffentlichen Dienst beschäftigte Kläger verlangt von seinem Arbeitgeber die Auszahlung von Überstunden, die aufgrund einer nach Auffassung des Klägers zu hoch angesetzten Sollarbeitszeit angefallen sind, sowie Freizeitausgleich bzw. hilfsweise eine entsprechende Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto.

Der Kläger war früher Mitarbeiter beim R. der Stadt Berlin (Ost). Nach der Wiedervereinigung der beiden Stadthälften Berlin (West) und Berlin (Ost) zum 01.09.1991 gingen die Aufgaben des ehemaligen R. (Ost) auf die Berliner F. über. Der Kläger wurde im Zuge der Wiedervereinigung und Übernahme in den Bereich der Berliner F. auf der Grundlage eines schriftlichen "Arbeitsvertrages für Angestellte auf unbestimmte Zeit im Beitrittsgebiet" vom 18.02.1992 (einschl. Anhang Bl. 11 - 14 d.A.) mit Wirkung ab dem 01.07.1991 im Angestelltenverhältnis im Bereich der Berliner Feuerwehr in Vollzeit weiterbeschäftigt.

Nach dem Vorbringen des beklagten Landes gab es für den Personenkreis des Klägers nach dem damaligen BAT/BAT-O keine Eingruppierung. Die Beschäftigten wurden zunächst nach den Regelungen des Kr-Tarifvertrages eingruppiert. Die damalige Senatsverwaltung für Inneres ordnete an, die betroffenen Beschäftigten ab 01.09.1991 als Angestellte im Feuerwehrdienst einzugruppieren. Die Mitarbeiter und ebenso der Kläger wurden deshalb wie Angestellte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst behandelt, wobei die Eingruppierung nach Anlage SR 2X zum BAT erfolgte. In einem Vermerk der Senatsverwaltung vom 23.02.1994 wurde nochmals klargestellt, dass die ehemaligen Angestellten aus dem R. (Ost) den Angestellten im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst gleichgestellt und hinsichtlich der Arbeitszeit die Regelungen für die Beamten anzuwenden seien.

Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag (§ 4) des Klägers finden auf sein Arbeitsverhältnis der BAT-O sowie den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) in der jeweils geltenden Fassung und damit nunmehr der für das beklagte Land geltende TV-L Anwendung.

Der Kläger wurde ab dem 16.03.1996 aufgrund einer Fortbildung zum Rettungsassistenten nach Vergütungsgruppe Vc BAT-O vergütet. Darüber hinaus absolvierte er Fortbildungen für Funktionen im feuerwehrtechnischen D...

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