Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine nachhaltige und tiefgreifende Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Partei - und damit ein wichtiger Grund für die Aufhebung der Beiordnung - liegt vor, wenn die Zusammenarbeit im Rahmen des Mandatsverhältnisses nicht mehr hinreichend gewährleistet ist.

Eine unzureichende Mitarbeit bei der Führung des Verfahrens kann dann zu einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses führen, wenn ein Anwalt aufgrund dieses Verhaltens außerstande ist, der ihm im Rahmen des Mandatsverhältnisses obliegenden Pflicht zur sachgerechten Vertretung der Interessen zu genügen (vgl. OLG Hamm 15. Dezember 2017 - II-2 WF 204/17, Rn. 9 f.).

2. Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn es einem Anwalt seit mehreren Jahren nicht mehr gelungen ist, die Mandantschaft zu einer Mitarbeit zu bewegen bzw. überhaupt eine Reaktion auf Anfragen zu erhalten (so auch LAG Köln 20. Januar 2013 - 6 Ta 329/13, Rn. 5).

 

Normenkette

BRAO § 48 Abs. 2; ZPO § 127

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 31.05.2018; Aktenzeichen 38 Ca 15741/15)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Mai 2018 - 38 Ca 15741/15 - abgeändert und die mit Beschluss vom 10. Dezember 2015 erfolgte Beiordnung aufgehoben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin macht die Aufhebung ihrer Beiordnung im PKH-Verfahren geltend. Sie beruft sich darauf, dass zwischen ihr und ihrem Mandanten kein Vertrauensverhältnis mehr bestehe. Eine Zusammenarbeit sei nicht mehr möglich. Sie könne nicht mehr sachgerecht für ihren Mandanten tätig werden.

Der Vertretene reagiert seit Jahren nicht mehr auf übermittelte Schreiben. Aufforderungen zur Stellungnahme ignoriert er. Sämtliche Versuche der Kontaktaufnahme sind erfolglos geblieben. Der Kontaktabbruch besteht seit der Beendigung des Verfahrens in der Hautsache. Schon im ersten Überprüfungsverfahren reagierte der Mandant der Beschwerdeführerin nicht mehr, auch nachdem die Beschwerdeführerin ihre Aufforderungen direkt in dessen Briefkasten gelegt hatte

Das Arbeitsgericht hat den Antrag unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2012 (7 Ta 2136/12) zurückgewiesen, da eine nachhaltige und tiefgreifende Störung des Vertrauensbereichs nicht ersichtlich sei. Allein der Umstand, dass derzeit möglicherweise kein Kontakt bestehe, sei insoweit nicht ausreichend. Der Beschwerde hat das Arbeitsgericht mit "Verfügung" vom 29. Juni 2018 nicht abgeholfen.

II.

1. Die nach § 78 ArbGG iVm. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden.

2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 BRAO für eine Aufhebung der Beiordnung liegen vor.

a) Die Aufhebung der Beiordnung des einer Partei gemäß § 121 ZPO beigeordneten Rechtsanwalts setzt nach § 48 Abs. 2 BRAO das Vorliegen eines wichtiger Gründe voraus. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nachhaltig und tiefgreifend gestört ist (vgl. BGH 15. September 2010 - IV ZR 240/08, Rn. 1). Davon muss ausgegangen werden, wenn die Partei jeden Kontakt mit seiner Prozessbevollmächtigten abgebrochen hat. In diesem Fall ist eine sachgerechte Interessenwahrnehmung durch die beigeordnete Anwältin nicht - mehr - möglich (vgl. LAG Köln 20. Januar 2013 - 6 Ta 329/13, Rn. 5).

Stellt die beigeordnete Rechtsanwältin unter Hinweis auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis einen Antrag auf Entpflichtung, so ist Voraussetzung für eine Stattgabe, dass konkrete Umstände vorgetragen und gegebenenfalls nachgewiesen werden, aus denen sich ergibt, dass eine nachhaltige und nicht zu beseitigende Erschütterung des Vertrauensverhältnisses vorliegt, aufgrund der es zu besorgen ist, dass die Rechtsverfolgung objektiv nicht mehr sachgerecht geführt werden kann (vgl. OLG Hamm 15. Dezember 2017 - II-2 WF 204/17, Rn. 9 mwN.). Eine nachhaltige und tiefgreifende Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwältin und Partei liegt vor, wenn die Zusammenarbeit im Rahmen des Mandatsverhältnisses nicht mehr hinreichend gewährleistet ist. Eine unzureichende Mitarbeit bei der Führung des Verfahrens kann dann zu einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses führen, wenn eine Anwältin aufgrund dieses Verhaltens außerstande ist, der ihr im Rahmen des Mandatsverhältnisses obliegenden Pflicht zur sachgerechten Vertretung der Interessen zu genügen (vgl. OLG Hamm 15. Dezember 2017 - II-2 WF 204/17, Rn. 9 f.).

b) Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Beiordnung der Beschwerdeführerin aufzuheben. Ihr ist es seit mehreren Jahren nicht mehr gelungen, ihrer Mandantschaft zu einer Mitarbeit zu bewegen bzw. dazu, überhaupt auf ihre Anfragen zu reagieren. Anders als in dem Verfahren, welches der ...

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