Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts für den Kündigungsrechtsstreit eines Piloten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Bestimmung eines besonderen Gerichtsstandes im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit bei Klagen eines Piloten gegen eine Fluglinie mit Sitz im EU-Ausland ist die Heimatbasis (home base) ein wesentliches Indiz (im Anschluss an EuGH 14.09.2017 - C-168/16 und C-169/16 zu Art. 21 EuGVVO).

2. Bei Klagen von Piloten gegen inländische Fluggesellschaften ist § 48 Abs. 1 a ArbGG nach den gleichen Kriterien wie Art. 21 EuGVVO auszulegen. Der Ort, von dessen Bezirk aus der Pilot gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, ist in der Regel die Heimatbasis.

3. Eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO ist trotz gemeinsamen besonderen Gerichtsstands ausnahmsweise möglich, wenn die Bestimmung des Gerichtsstands nicht einfach und zuverlässig festgestellt werden kann.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3; EuGVVO Art. 21; ArbGG § 48 Abs. 1a; EuGVVO Art. 21 Abs. 1 Buchst. b Nr. i Fassung: 2012-12-12

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Aktenzeichen 30 Ca 16543/17)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Berlin bestimmt.

 

Gründe

I.

Der 1987 geborene Kläger war seit dem 25.06.2010 bei der Gemeinschuldnerin des Beklagten zu 1 (Insolvenzverwalter) als Pilot mit einem Bruttomonatsentgelt von 6.048,01 € beschäftigt. Der Kläger nahm zuletzt regelmäßig seine Tätigkeit am Flughafen Berlin-Tegel auf. An dieser Heimatbasis in Berlin endete auch der Dienst des Klägers. In Berlin-Tegel befand sich an der Heimatbasis ein Crew-Raum, in dem sich der Kläger flugtäglich mindestens eine Stunde vor Abflug einzufinden hatte. Während der Zeit bis zum Abflug erledigte der Kläger in dem Crew-Raum die Flugvorbereitung, Wetter- und Flugstreckenanalyse, Briefing des Kabinenpersonals und absolvierte die Abflugkontrolle der Maschine. Nach seiner Rückkehr nach Berlin-Tegel wurde wiederum im Crew-Raum der Heimatbasis die ca. halbstündige Flugbesprechung durchgeführt und etwaige Änderungen für den nächsten Flugtag kontrolliert. Diese Tätigkeiten gehörten zur Arbeitszeit des Klägers. Die von dem Kläger geflogenen Maschinen waren am Flughafen Berlin-Tegel stationiert.

Am 01.11.2017 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der jetzige Insolvenzverwalter war bis zum 16.01.2018 als Sachwalter eingesetzt.

Ende November 2017 kündigte die Gemeinschuldnerin die Arbeitsverhältnisse eines Großteils der Piloten. Die Kündigung des Klägers ging ihm am 29.11.2017 zu.

Mit der am 20.12.2017 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung und begehrt gegenüber den Beklagten zu 2) - 5) die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit den zuletzt geltenden Arbeitsbedingungen fortbesteht. Die Beklagte zu 2) hat ihren Sitz in Köln, die Beklagte zu 3) in Düsseldorf, die Beklagte zu 4) in Wien, Österreich, die Beklagte zu 5) in Frankfurt/Main.

Mit Schreiben vom 10.01.2018 rügten die Beklagten zu 2) - 5) die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Berlin mit der Begründung, dass sie ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht in Berlin hätten und ein besonderer Gerichtsstand für den Kläger als Piloten nicht schlüssig dargelegt sei.

Mit dem am 05.02.2018 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts beantragt der Kläger gemäß §§ 36 Abs. 1 Nr. 3, 37 ZPO das Arbeitsgericht Berlin als zuständiges Gericht zu bestimmen.

II.

Das Arbeitsgericht Berlin wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

1.

Die Vorlage gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist zulässig.

Das Verfahren wird nur auf Antrag des Klägers und nicht des angerufenen Gerichts eingeleitet (LAG Baden-Württemberg 14. Oktober 2004 - 3 AR 21/04 - juris Rn. 7; BGH 7. März 1991 - 1 ARZ 15/91 - juris Rn. 7). Ein solcher Antrag des Klägers liegt mit Schriftsatz vom 05.02.2018 an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vor.

Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist auch nach Klageerhebung möglich (Zöller-Vollkommer § 36 ZPO Rn. 16).

Da mit der Beklagten zu 4) eine Partei ihren allgemeinen Sitz in EU-Ausland (Österreich) hat, ist § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechend anzuwenden (Zöller-Vollkommer § 36 ZPO Rn. 2 a m. w. N.; BGH 6. Mai 2013 - X ARZ 65/13 - Rn. 16).

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist auch zuständig, da bisher nur das Arbeitsgericht Berlin mit der Sache befasst war (so BAG 2. Juli 2014 - 10 AS 3/14 - Rn. 4).

Ein Rechtschutzinteresse ist gegeben. Die Beklagten haben sich nicht rügelos auf den Rechtsstreit eingelassen (§ 39 ZPO, Art. 26 EuGVVO; BAG 24. September 2009 - 8 AZR 306/08 - Rn. 37).

2.

Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind erfüllt.

a)

Die Beklagten zu 1) bis 5) sind Streitgenossen, die verschiedene allgemeine Gerichtsstände haben.

Eine Streitgenossenschaft im Sinne der §§ 59, 60 ZPO liegt vor, wenn mehre...

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