Entscheidungsstichwort (Thema)

Besorgnis der Befangenheit. Sachverständiger. Rechtsmittel

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen den Beschluss über den Antrag auf Ablehnung eines Sachverständigen ist kein Rechtsmittel gegeben.

 

Normenkette

ArbGG § 49 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 25.02.2010; Aktenzeichen 8 Ha 20987/08)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Februar 2010 – 8 Ha 20987/08 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin, mit welchem dieses einen Antrag auf Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen hat.

In einem vergleichbaren Fall hat das Bundesarbeitsgericht in einem Beschluss vom 25. November 20ß08 – 3 AZB 64/08 – ausgeführt:

„Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen. Gegen den Beschluss über die Ablehnung eines Sachverständigen ist entsprechend § 49 Abs. 3 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Verfahren kein Rechtsmittel gegeben. Die Vorschrift ist verfassungsgemäß. Die Rechtsbeschwerde wird nicht allein dadurch statthaft, dass sie durch das Landesarbeitsgericht zugelassen wurde.

1. Gemäß § 49 Abs. 1 und 3 ArbGG findet gegen den Beschluss über die Ablehnung einer Gerichtsperson kein Rechtsmittel statt. Kraft ausdrücklicher Anordnung in § 64 Abs. 7 ArbGG gilt diese Bestimmung entsprechend für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten. Gegen den Beschluss über die Ablehnung eines Sachverständigen findet ebenfalls kein Rechtsmittel statt.

a) § 49 Abs. 1 und 3, § 64 Abs. 7 ArbGG gelten allerdings nicht unmittelbar. Sachverständige sind keine Gerichtspersonen im Sinne des Gesetzes.

Dagegen kann nicht eingewandt werden, der Sachverständige sei Gehilfe des Richters und unterliege, wie der Verweis auf die §§ 41 ff. ZPO in § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO zeige, besonderen Anforderungen bezüglich seiner Neutralität. Daher werde er für die Dauer seines Amtes zur Gerichtsperson (so aber LAG Leipzig 9. August 1927 – ArbBC 1/27 – Bensheimer Sammlung 2, 2. Abteilung, 211; LAG Bielefeld 16. November 1928 – 3 A T 22/28, JW 1929, 156; Baumbach ArbGG 2. Aufl. § 49 Anm. 2). Ebenso wenig ist entscheidend, dass er nach § 404a ZPO der Anleitung durch das Gericht unterliegt. Der Begriff der Gerichtsperson ist vielmehr mangels einer abweichenden spezielleren Definition im Arbeitsgerichtsgesetz im selben Sinn zu verstehen, wie er in der Zivilprozessordnung gebraucht wird (LAG Hamm 19. Juni 1986 – 8 Ta 16/86 – AP ArbGG 1979 § 49 Nr. 1). Dort findet er sich in der Titelüberschrift zu den §§ 41 ff. ZPO, in denen sich jedoch nur die Vorschriften über die Ablehnung von Richtern (§§ 41 ff. ZPO) und Urkundsbeamten (§ 49 ZPO) finden.

b) § 49 Abs. 3 ArbGG ist auf das Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen im Verfahren der Gerichte für Arbeitssachen jedoch entsprechend – analog – anzuwenden.

aa) Gegen eine entsprechende Anwendung des § 49 Abs. 3 ArbGG auf die Ablehnung eines Sachverständigen kann nicht von vornherein eingewandt werden, es handele sich um eine Ausnahmevorschrift, die einer Analogie nicht zugänglich sei (so aber Wieczorek Anm. zu AP ArbGG 1953 § 49 Nr.1). Bereits die Annahme, bei § 49 Abs. 3 ArbGG handele es sich um eine Ausnahmevorschrift, ist unzutreffend. § 49 ArbGG stellt keine Ausnahme einer allgemeinen Regel dar, sondern eine spezielle Norm für eine eigenständige Verfahrensordnung. Zudem ist in der juristischen Methodenlehre heute anerkannt, dass der Satz, Ausnahmevorschriften seien eng auszulegen und nicht analogiefähig, so nicht zutreffend ist (Larenz/Canaris Methodenlehre der Rechtswissenschaft 3. Aufl. S. 175 f.; Pawlowski Methodenlehre für Juristen 3. Aufl. Rn. 489a; Wank Die Auslegung von Gesetzen 3. Aufl. S. 66). Sie sind vielmehr in den Grenzen ihres Sinnes und Zweckes der Analogie fähig (BAG 18. November 2004 – 6 AZR 651/03BAGE 112, 351, zu 4 b bb der Gründe).

bb) Eine Regelungslücke ist gegeben, da die Ablehnung von Sachverständigen im Arbeitsgerichtsgesetz nicht ausdrücklich geregelt ist. Eine solche hätte aber nahe gelegen, weil die verwandte Rechtsfrage für Gerichtspersonen vom Gesetzgeber einer gesonderten Regelung zugeführt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine bewusste Nichtregelung der Frage handelte mit der Folge, dass es bei dem Verweis auf die allgemeinen zivilprozessualen Bestimmungen (§ 78 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 ZPO; § 46 Abs. 2 ArbGG iVm. § 406 Abs. 5 ZPO) verbleibt, sind nicht erkennbar.

cc) Sinn und Zweck des § 49 Abs. 3 ArbGG gebieten es, den Ausschluss eines Rechtsmittels auch auf Beschlüsse über die Ablehnung von Sachverständigen im arbeitsgerichtlichen Verfahren anzuwenden (wie hier LAG Düsseldorf 5. September 1985 – 7 Ta 323/85 –; LAG Chemnitz 17. August 1937 – Ta 9/37 –, Bensheimer Sammlung 31, 2. Abteilung, 18; Lieb/Gift ArbGG 2. Aufl. § 49 Anm. 4; aA LAG Hamm 19. Juni 1986 – 8 Ta 16/86 – AP ArbGG ...

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