Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtliche Zuständigkeit für Beschlussverfahren um Übergangs- und Restmandat des Betriebsrats bei Aufspaltung oder Abspaltung des Betriebs. Offensichtlich gesetzwidriger Verweisungsbeschluss im Rahmen eines negativen Kompetenzkonfliktes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bei einem negativen Kompetenzkonflikt im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren

2. Nach einer Betriebsaufspaltung oder -abspaltung hat der bisherige Betriebsrat für die neu entstandenen Betriebe unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 1 Satz 1 BetrVG ein Übergangsmandat. Für den Ursprungsbetrieb hat er im Fall der Aufspaltung nach § 21b BetrVG ein Restmandat; im Fall der Abspaltung bleibt es bei dem bisherigen originären Mandat.

3. Kommt es zu einem Konflikt zwischen den Betriebsparteien, hängt die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG davon ab, auf welches Mandat sich der Konflikt bezieht.

4. Für Konflikte, die das Übergangsmandat betreffen, ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Betriebsleitung des jeweiligen neu entstandenen Betriebes ihren Sitz hat.

5. Für Konflikte, die das Restmandat betreffen, ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Betriebsleitung des aufgelösten Gesamtbetriebes ihren Sitz hatte.

6. Wird einer der neu entstandenen Betriebe oder der weiterbestehende (Rest-)Ursprungsbetrieb später stillgelegt, ist für Konflikte im Zusammenhang mit der Stilllegung das Arbeitsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk, die Betriebsleitung des stillgelegten Betriebes ihren Sitz hatte.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei negativen Kompetenzkonflikten findet § 36 ZPO auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Anwendung; aus der beschränkten Verweisung in § 80 Abs. 2 ArbGG kann nicht der Schluss gezogen werden, dass im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung keine Anwendung finden.

2. Für das Merkmal "rechtskräftig" im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kommt es allein darauf an, dass eine ausdrückliche den Beteiligten bekannt gemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt.

3. Zuständig für die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 36 Abs. 2 ZPO das Landesarbeitsgericht, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört; zur Vermeidung eines Verfahrensstillstandes ist die Vorlage im Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auch ohne Antrag einer Partei oder im Beschlussverfahren ohne Antrag einer der Beteiligten von Amts wegen zulässig.

4. Nach § 48 Abs. 1 ArbGG und § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend; die Bindungswirkung ist auch im Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten, so dass das Gericht als zuständig zu bestimmen ist, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluss gelangt ist, es sei denn, der Verweisungsbeschluss ist ausnahmsweise wegen offensichtlicher Gesetzwidrigkeit nicht bindend.

5. Die Bindungswirkung entfällt nicht schon dann, wenn der Beschluss unrichtig oder sonst fehlerhaft ist; ein Verweisungsbeschluss ist vielmehr nur dann nicht bindend, wenn dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt, wenn er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; ArbGG § 48 Abs. 1 Nr. 1, § 82 Abs. 1 S. 1; BetrVG § 21a Abs. 1 S. 1, § 21b; ArbGG § 48 Abs. 1, § 80 Abs. 2; ZPO § 36 Abs. 2; GVG § 17a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Entscheidung vom 09.03.2015; Aktenzeichen 5 BV 11/15)

 

Tenor

Als Örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Berlin bestimmt.

 

Gründe

I. In dem am 26. Januar 2015 vor dem Arbeitsgericht Berlin anhängig gemachten Beschlussverfahren begehrt der Beteiligte zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) von der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) im Zusammenhang mit der Fremdvergabe von Abfertigungsleistungen am Flughafen T. Auskunft, wen die Arbeitgeberin mit der Erbringung der Abfertigungsleistungen beauftragt hat, sowie die Vorlage des Dienstleistungsvertrages.

Die Arbeitgeberin erbringt Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen und hat ihren Sitz in Hamburg. Sie unterhielt an den Flughäfen T. und Sch. einen aus den Betriebsteilen T. (Station T.), Sch. (Station Sch.) und CTS bestehenden Betrieb mit Sitz in Sch. (sog. Betrieb Berlin). Die Betriebs- bzw. Stationsleitung oblag Herrn O. und Frau J.. Der Betriebsrat ist der für den Betrieb Berlin gebildete Betriebsrat.

Am 18. September 2014 um 0.00 Uhr übertrug die Arbeitgeberin den Betriebsteil Sch. der AHS BERLIN A. H. S. GmbH (im Folgenden: AHS BERLIN) und den Betriebsteil CTS der A. IT, T. and C. GmbH (im Folgenden: AITC). Seither wurden die drei ehemaligen Betriebsteile durch eigene Betriebsleitungen geführt. Der ehemalige...

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