Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtliche Zuständigkeit im Beschlussverfahren bei Filialbetrieben. Zuordnungstarifvertrag nach § 3 BetrVG. Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts für das Beschlussverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Besteht in einem Unternehmen mit zahlreichen Verkaufsstellen ein Tarifvertrag nach § 3 BetrVG über die Bildung von Betriebsratsbezirken, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 82 Abs. 1 S. 2 ArbGG nicht nach den gebildeten Betriebsratsbezirken. Vielmehr kommt es für die örtliche Zuständigkeit auf den Sitz der Betriebsleitung an. Verfügt die Betriebsleitung lediglich über ein mobiles Böro, so ist für die örtliche Zuständigkeit maßgebend, in welchem Gerichtsbezirk die Betriebsleitung ihre Leitungsmacht ausübt.

 

Normenkette

BetrVG § 3; ArbGG § 82 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 10 BV 2/09)

 

Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Freiburg bestimmt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten im Ausgangsverfahren über einen Zustimmungsersetzungsantrag der Beteiligten Ziff. 1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Antrag des Arbeitsgerichts Freiburg, das für das Ausgangsverfahren örtlich zuständige Arbeitsgericht zu bestimmen.

Die Beteiligte Ziff. 1 (im folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen mit Sitz in Ehingen, das bundesweit in knapp 10.000 Verkaufsstellen Drogeriewaren vertreibt. Zur sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen sind im Unternehmen Betriebsratsbezirke gebildet. Der Beteiligte Ziff. 2 ist der im Bezirk Alpirsbach gebildete Betriebsrat. Im Bezirk Alpirsbach befinden sich derzeit 28 Verkaufsstellen. Davon liegen 19 Verkaufsstellen im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Freiburg und 9 Verkaufsstellen im Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichts Pforzheim.

Die Arbeitgeberin verfügt derzeit über folgende Organisationsstruktur: Die Verkaufsstellen werden von Bezirksleitungen betreut. In Baden-Württemberg gibt es derzeit 49 Bezirksleitungen. Die Bezirksleitungen verfügen nicht über einen Sitz dergestalt, dass ihnen im jeweiligen Bezirk ein eigenes Büro zur Verfügung steht. Vielmehr sind die Bezirksleitungen mobil in ihrem Zuständigkeitsbereich mit einem PKW unterwegs. Der Großteil der Büroarbeiten wird von den Bezirksleitungen entweder in einer Verkaufsstelle oder zu Hause erledigt. Die Bezirksleitungen sind Vorgesetzte der Verkaufsstellenmitarbeiter/innen. Sie sind befugt, Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Sie sind verantwortlich für die personelle Besetzung der Verkaufsstellen und reichen beim Betriebsrat die Dienstpläne ein. Sie sind ferner zuständig für die Beteiligung des Betriebsrats bei Mehrarbeit und bei Versetzungen.

Den Bezirksleitungen sind Verkaufsleitungen übergeordnet. Hierbei sind einer Verkaufsleitung zwischen 12 und 16 Betriebsleitungen zugeteilt. Derzeit sind fünf Verkaufsleitungen ganz oder teilweise für das Gebiet Baden-Württemberg zuständig. Es handelt sich hierbei um die Verkaufsregionen Villingen-Schwenningen (Bodenseebereich, Vertriebsbüro in Ehingen, zuvor in Villingen-Schwenningen und sodann in Leonberg), Leonberg (Großraum Stuttgart, Vertriebsbüro in Ehingen), Karlsruhe (Bereich Baden, Vertriebsbüro in Pohlheim, Nähe Gießen), Neuenstadt (Heidelberg/Heilbronn/Ansbach, Vertriebsbüro in Ehingen) und München (östliche Teile Baden-Württembergs, Vertriebsbüro in Ehingen). Das Vertriebsbüro wird von den Verkaufsleitungen höchstens 1 × wöchentlich, im Schnitt alle zwei Wochen aufgesucht. Ansonsten sind die Verkaufsleitungen mobil unterwegs. Die Verkaufsleitungen betreuen die jeweilige Verkaufsregion und stehen den ihnen unterstellten Bezirksleitungen beratend zur Seite.

Zur sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen schloss die Arbeitgeberin mit der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen am 07.04.1995 einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG ab. Hiernach werden die Verkaufsstellen Regionen zugeordnet, die sich aus einer dem Tarifvertrag beiliegenden Karte ergeben. Die Arbeitnehmer der in der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstellen wählen jeweils einen Betriebsrat. Die Betriebsratsregionen stimmen örtlich mit dem Zuständigkeitsbereich der Bezirksleitungen nicht immer überein. Es gibt eine Vielzahl von Betriebsratsbezirken, die über mehr als eine oder gar drei Bezirksleitungen verfügen. Im Allgemeinen befinden sich die Betriebsratsregionen in einem Arbeitsgerichtsbezirk. Es gibt jedoch mehrere Fälle, in denen die Betriebsratsregion in zwei Arbeitsgerichtsbezirken liegt.

Neben dem Tarifvertrag vom 07.04.1995 schloss die Arbeitgeberin mit der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen einen Tarifvertrag zur Ergänzung des genannten Zuordnungstarifvertrags. Nach Ziff. 2.1 des Ergänzungstarifvertrags bestimmt der Betriebsrat seinen Sitz an einer Verkaufsstelle des Bezirks unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten. Vorrang haben die Verkaufsstellen am Sitz des Betriebsratsvorsitzenden oder Stellvertretenden Betriebsratsvorsitz...

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